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Friday, January 27, 2017

Utah - Starke deutsche Präsenz beim Sundance Filmfestival

Als Weltpremiere ist Helene Hegemanns "Axolotl Overkill" zu sehen, drei weitere deutsche Co-Produktionen ergänzen den internationalen Wettbewerb. Außerdem dabei: ein deutscher Jungstar in einem australischen Film.



Wilde Berliner Partynächte: "Axolotl Overkill" von Helene Hegemann
Es dürfte die richtige Bühne sein für Helene Hegemanns "Axolotl Overkill". Schließlich geht es ums Erwachsenwerden, um jugendliches Freiheitsgefühl, um ein Leben im Rausch. Das Sundance Film Festival in Park City/Utah (19.1.-29.1.) ist seit Anfang der 1980er Jahre das Festival für das unabhängige, junge Kino in Nordamerika, das sich ganz bewusst von Hollywood absetzt. Helene Hegemann feiert im Februar ihren 25. Geburtstag, hat gleichwohl schon viel erlebt im deutschen Kulturbetrieb.
Weltpremiere in Sundance statt in Berlin
Natürlich hätte man sich ihren Film auch sehr gut bei der Berlinale (9.2.-19.2.) vorstellen können, die nur wenig später startet. "Axolotl Overkill" als Abschlussfilm an ihrem Geburtstag (19.2.) in der deutschen Hauptstadt beim größten deutschen Filmfestival - das wäre doch ein Coup gewesen! Ein Film, der zudem in Berlin spielt. Doch Helene Hegemann und die Produzenten von "Axolotl Overkill" werden sich schon etwas dabei gedacht haben, als sie sich für das fern im US-Bundesstaat Utah gelegene Sundance entschieden haben. Den ersten großen Spielfilm von Helene Hegemann in Berlin zu zeigen, das wäre wohl auch ein Risiko gewesen - nach der Vorgeschichte.


Hauptdarstellerin Jasna Fritzi Bauer in "Axolotl Overkill"
Hegemanns Roman mit dem ähnlich klingenden Titel "Axolotl Roadkill" hatte 2010 einen veritablen Skandal ausgelöst im deutschen Literaturbetrieb. In dem Buch, auf dem der nun in Sundance gezeigte Film basiert, hatte Hegemann von einer jungen Frau erzählt, die in Berlin erwachsen wird und dabei sämtliche Jugendsünden von Drogenkonsum bis Schulverweigerung durchläuft. Dabei hatte die junge Autorin Textpassagen anderer Schriftsteller übernommen, ohne dies durch Quellenangaben kenntlich zu machen. Vor allem aus dem Roman "Strobo" des Bloggers Airen stammten viele Passagen.
Das hatte ein gewaltiges Medienecho ausgelöst. "Axolotl Roadkill" sah sich in der Folge heftiger Plagiatsvorwürfe ausgesetzt. Vor allem auch, weil Hegemann den offensichtlichen Textdiebstahl zunächst offensiv verteidigte und von einem bewussten Akt modernen Schreibens sprach. Recht zum Kopieren und zur Transformation.  

Helene Hegemann
Der Autor Airen, dessen Verlag und viele Literaturexperten sahen das freilich anders. "Wir nennen das 'sich mit fremden Federn' schmücken. Die Federn gehören dem Schriftsteller Airen", protestierte dessen Verlag. << Schließlich änderten Hegemann und deren Verlag nach und nach ihre Haltung, in der vierten Ausgabe von "Axolotl Roadkill" wurden die Quellen der Autorin schließlich dezidiert aufgelistet, Airen erhielt eine finanzielle Entschädigung.
Helene Hegemann war schon vor ihrem ersten Roman als künstlerisches Wunderkind gefeiert worden. Sie war 15, als im Jahre 2007 ihr erstes Theaterstück aufgeführt wurde, ihr erster längerer Film "Torpedo" lief 2008 bei den Hofer Filmtagen und in Saarbrücken beim "Max Ophüls Preis" und wurde dort ausgezeichnet. In ihren Filmen und Büchern schöpft die junge Autorin aus selbst Erlebtem. Die 1992 in Freiburg geborene Hegemann war dreizehn, als ihre geschiedene Mutter starb.
 Man darf gespannt sein, wie das nordamerikanische Publikum nun auf Helene Hegemanns ersten langen Spielfilm reagiert. "Axolotl Overkill" feierte am 20.1. in Sundance Weltpremiere.
Beim Festival in Sundance werden insgesamt 113 Spielfilme und Dokumentationen aus 32 Ländern gezeigt. "Axolotl Overkill" läuft in der Programmsektion "World Dramatic", in der außerdem noch drei deutsche Co-Produktionen gezeigt  werden. Das Regie-Duo Nana Ekvtimishvili & Simon Gross zeigt den Film "Meine glückliche Familie". Der erzählt von einer 52-jährigen Ehefrau und Mutter in der georgischen Hauptstadt Tbilisi, die eines Tages beschließt aus der gemeinsamen Wohnung auszuziehen. Ein Emanzipationsdrama aus Georgien, entstanden vor allem mit deutscher Finanzierung.


Das Filmfestival in Sundance/Utah
Als schwedisch-dänisch-deutsche Co-Produktion läuft "The Nile Hilton Incident" von Tarik Saleh, ein Film über einen korrupten Polizeibeamten in Kairo, der bei seinem neuesten Fall in ein kriminelles Wespennest stößt, das bis ins Parlament reicht. Schließlich bewirbt sich auch der Film "The Wound" des Südafrikaners John Trengove, der ebenfalls mit deutschen Fördergeldern entstand, um einen Preis in dieser Sundance-Sektion.
In der Festivalsektion "Premieres" darf sich das Publikum mit dem Film "Manifesto" des deutschen Künstlers Julian Rosefeldt auseinandersetzen, der auf einer Kunstinstallation aus dem Jahre 2015 basiert. Die australische Schauspielerin Cate Blanchett verlas dort in wechselnden Rollen verschiedene Manifeste aus der Geschichte der Kunst. Rosefeldt montierte das Ganze zu einer Filminstallation, die erstmals im Dezember 2015 in Australien gezeigt wurde. Eine Kinofassung ist nun in Sundance zu sehen.
Eine weitere deutsch-australische Zusammenarbeit ist der Films "Berlin Syndrome". Der deutsche Schauspieler Max Riemelt ist einer der Hauptdarsteller im Film der Australierin Cate Shortland. Riemelt spielt einen jungen Englisch-Lehrer in Berlin, der die Fotojournalistin   Clare (Teresa Palmer) kennenlernt.

Max Riemelt
Was zu Beginn wie eine nette Bekanntschaft wirkt, entwickelt sich dann im Laufe des Geschehens zu einem Horrortrip für die junge Frau. "Berlin Syndrome" startet nach seiner Sundance-Premiere Anfang März in den deutschen Kinos.
So hat das nordamerikanische Festival in diesem Jahr einen kleinen Berlin-Schwerpunkt, auch "Manifesto" wurde schließlich in der deutschen Hauptstadt gedreht. Auf Helene Hegemanns "Axolotl Overkill" müssen die deutschen Zuschauer noch bis zum Kinostart am 29. Juni warten. 
Quelle FAZ

Los Angeles - „Toni Erdmann“ geht am 26. Februar ins Oscar-Rennen

„La La Land“, „Arrival“, Nathalie Portman und Mel Gibson: Die Oscar-Akademie gab die Nominierungen für die diesjährige Preisverleihung bekannt.


Regisseurin Maren Ade. Ihr Film "Toni Erdmann" wurde beim Europäischen Filmpreis 2016 gleich fünfmal dekoriert: Bester Film, beste Regie, beste Darstellerin, bester Darsteller, bestes Drehbuch  - nun hat er Chancen auf einenOscar

„Toni Erdmann“ von Maren Ade hat Chancen auf eine der höchsten Auszeichnungen Hollywoods. Das gab die Oscar-Akademie an diesem Dienstag bekannt. Die Nominierung für Maren Ades „Toni Erdmann“ ist die erste Oscarnominierung für einen deutschsprachigen Film seit „Das weiße Band“ von Michael Haneke im Jahr 2010. Zuletzt holte der Stasi-Film „Das Leben der Anderen“ von Florian Henckel von Donnersmarck 2007 die Trophäe nach Deutschland. Die Tragikomödie „Toni Erdmann“ ist einer von fünf Anwärtern in der Sparte „nicht-englischsprachiger Film“. Dazu gehören auch „Ein Mann namens Ove“ (Schweden) und „Tanna“ (Australien).
Das Musical „La La Land“ geht mit zahlreichen Nominierungen ins Oscar-Rennen. Auch „Lion“, „Manchester by the Sea“, „Moonlight“ und „Arrival“können sich über mehrere Nominierungen freuen. „La La Land“ wurde in der wichtigsten Kategorie als bester Film nominiert, darüber hinaus auch für das Drehbuch, den Schnitt, den Soundtrack und den besten Song. Außerdem gab es Nominierungen für die Hauptdarsteller Ryan Gosling, Emma Stone und Regisseur Damien Chazelle. 
 Die Oscar-Nominierungen in den wichtigsten Sparten

Am 1. Februar werden in der Villa Aurora die neuen Spring Fellows um 7,30 Uhr vorgestellt:


Los Angeles - Die ersten Residents 2017 sind in der Villa Aurora angekommen


Hier sind sie:


Electronic Musiker Stefan Goldmann


Stefan Goldmann entwickelt Musik, die sich aus den Grundlagen von Techno ableitet: Track, Raster, Sample und Loop werden dabei bis an ihre Grenzen konkretisiert und ermöglichen dadurch überraschende Gestaltungen und Umdeutungen. Die dabei entstehenden Arbeiten reichen von Technotracks bis zu abendfüllenden Kompositionen für Tanz, Ensembles und Film.
Nach einem Studium der Audiokommunikation an der Technischen Universität Berlin veröffentlichte Stefan Goldmann zahlreiche Tonträger auf international führenden Labels. Kompositionsaufträge erhielt er u.a. von MaerzMusik Berlin, dem Nationaltheater Mannheim, NyMusikk Norwegen und vom BASF Kulturprogramm. Für Orte wie den Honen-in Tempel in Kyoto, Konzertsäle und Festivals entwickelte er ortsspezifische Werke und Konzertprogramme, wobei er mit Choreographen, Videokünstlern und anderen Komponisten zusammenarbeitete.
2007 gründete Stefan Goldmann gemeinsam mit Finn Johannsen das Label Macro, das von der Musikzeitschrift De:Bug als „das führende Avantgarde-Technolabel“ bezeichnet wurde. Er tritt seither in Europa, Nord- und Südamerika sowie in Asien als DJ und mit Live-Elektronik in Clubs und auf Festivals auf (u.a. Mutek Montreal, Club2Club Torino, Time Warp Mannheim, Now Festival Essen, Unlock Buenos Aires, Only Connect Oslo und Star Festival Osaka). Im Rahmen von Macro-Labelveranstaltungen spielte er gemeinsam mit anderen Künstlern des Labels u.a. in Paris, London, Berlin, St.Petersburg und Tokio.
Für den Berliner Club Berghain konzipierte Stefan Goldmann u.a. das Veranstaltungsformat „Elektroakustischer Salon“, schreibt für das Programmheft des Clubs eine Kolumne und ist Co-Autor des Buchs „Berghain 10“ (Hatje Cantz). Er schrieb viel beachtete Artikel zu Digitalisierung und Ästhetik der elektronischen Musik, u.a. für Wire, Groove und LWE. Sein Buch „Presets – Digital Shortcuts To Sound“ erschien 2015 bei Bookworm in London. Als Gastlektor wurde er u.a. von der Universität der Künste Berlin, der Folkwang Universität Essen, dem DAAD und dem Goethe Institut zu Vorträgen und Workshops eingeladen. 2012 war er Fellow an der Villa Kamogawa in Kyoto. Der Dokumentarfilm „Parameter“ von Michael Schade und Thomas Kipke über Stefan Goldmann ist auf DVD erschienen.
Kooperation mit dem Musicboard Berlin



visual artist

Bertrand Flanet


        Bildhauer Bertrand Flanet

Bertrand Flanet lebt und arbeitet in Frankfurt am Main. Er studierte Kunstgeschichte an der Universität Marc Bloch, Straßburg, Frankreich. Seit 2012 ist er Meisterschüler in der Filmklasse von Douglas Gordon an der Städelschule, Frankfurt am Main.

Seine Praxis besteht aus dem Bau von Erzählungen, die Regimen möglicher Menschen-Gesellschaften behandeln. Von Wirtschaft bis Wissenschaft; Soziologie bis Technologie: seine Arbeit sucht nach Glauben und Wünschen des modernen Menschen, und taucht so in die ontologischen und existentiellen Fragen: Was bedeutet es, Mensch zu sein?
Aktuelle Ausstellungen: Jakarta Biennale 2015, Jakarta, Indonesia; Cosmic Disturbance, Gallery Schmidt&Handrup, Köln 2015; 24/7, IFFR Rotterdam, Netherlands, 2015; SUNdogs, Gallery Parisa Kind, Frankfurt am Main, 2014; Ma(r)king Territories, Haus für Elektronische Künste, Basel 2013; 2488, Langage Plus, Alma, Canada, 2013; Jeunes Premiers, Aubette, Strasbourg, Frankreich 2012; Yet what not say what happened?, Kunstverein Freiburg, 2012; Moments - A History of Performance in 10 acts, ZKM, Karlsruhe.
Im Jahr 2014 wurde er mit dem Lichter Art Award ausgezeichnet und mit dem Gold Cube auf dem Kasseler Dokfest 2014 für seinen Film „Unmanned Distances“.



Bildender Künstler Niklas Goldbach

Niklas Goldbach lebt und arbeitet in Berlin. Nach dem Studium der Soziologie an der Universität Bielefeld und "Fotografie und Video" an der Fachhochschule Bielefeld absolvierte er 2005 ein Meisterschülerstudium an der Universität der Künste Berlin. Im Jahr 2005 erhielt er den Fulbright Grant New York und besuchte das MFA Programm des Hunter College, New York City im Jahr 2006.

Niklas Goldbach wurde mit mehreren Stipendien ausgezeichnet und präsentierte seine Videoinstallationen und fotografischen Arbeiten in zahlreichen Einzel- und Gruppenausstellungen, unter anderen im Museum der Moderne, Salzburg, Museo Reina Sofia, Madrid, Mori-Art Museum, Tokyo, Neuer Berliner Kunstverein, im Museum der Schönen Künste, Taichung, im Centre Pompidou, Paris, Museum des 21. Jahrhunderts, dem Minsheng Kunstmuseum, Shanghai, Berlinische Galerie Museum für Zeitgenössische Kunst Berlin und auf dem Kurzfilm Festival Oberhausen.
Kooperation mit der Senatskanzlei Berlin



Bildende Künstlerin Haegue Yang


Haegue Yang ist eine Bildende Künstlerin. Sie lebt und arbeitet derzeit in Seoul und Berlin. Yang kombiniert industrielle und dem häuslichen Bereich zugeschriebene Materialien mit sinnlich erfahrbaren Effekten wie Licht und Ton und überträgt diese in Installationen und performative, abstrakte Gebilde. Ihre Werke sind gleichzeitig konzeptuell und den Sinnen zugewandt, sie sind mehrdeutig und aufschlussreich und verweisen auf Sujets aus Politik, Geschichte und Kultur.
Yangs letzte Ausstellungen wurden von zahlreichen bedeutenden Institutionen ausgerichtet; u.a. zeigte sie ihre Werke im Centre Pompidou, Paris, Frankreich (2016), im Serralves Museum, Porto, Portugal (2016), in der Hamburger Kunsthalle, Hamburg, Deutschland (2016), im Ullens Center for Contemporary Art, Peking, China (2015), im Leeum, Samsung Museum of Art, Seoul, Südkorea (2015), in der Bergen Kunsthall, Bergen, Norwegen (2013), in den Glasgow Sculpture Studios, Glasgow, Schottland (2013), im Museum of Modern and Contemporary Art, Straßburg, Frankreich (2013), im Haus der Kunst, München (2012), in den Tate Modern Tanks, London, England (2012), im Kunsthaus Bregenz, Bregenz, Österreich (2011), im New Museum, New York, USA (2010), im Walker Art Center, Minneapolis, USA (2009). 2009 richtete sie den Koreanischen Pavilion auf der 53. Biennale in Venedig, Italien (2009) ein. Sie nahm an Gruppenausstellungen im Solomon R. Guggenheim Museum, New York, USA (2015), im Museum of Modern Art, New York, USA (2015), an der Sharjah Biennale 12, UAE (2015), der Taipei Biennale, Taipei, Taiwan (2014), dem Witte de With, Rotterdam, Niederlande (2014), dem Museo Jumex, Mexiko City, Mexiko (2013), und der dOCUMENTA (13), Kassel, Deutschland (2012) teil.


Filmemacherin Carolina Hellsgard


2007  Meisterschüler Abschluss Experimentelle Mediengestaltung, Universität der Künste Berlin

2008-2009
DAAD Stipendiatin, Cal Arts, Valencia
2011
Gründerin Filmproduktionsfirma Flickfilm; mehrere preisgekrönte Kurzspielfilme sowie den Debütfilm WANJA, als Autorin und Regisseurin
2015
Arbeitsstipendium für Bildende Kunst, Senatskanzlei Kulturelle Angelegenheiten
2015-2017
Dorothea Erxleben Programm, HBK Braunschweig Lehrauftrag Drehbuchschreiben und Filmregie
Carolina Hellsgård ist in Stockholm geboren und studierte an der Universität der Künste in Berlin und als DAAD Stipendiatin an der Cal Arts. Ihr Debütfilm WANJA hatte seine Weltpremiere auf der Berlinale 2015 und wurde für den Preis 'Bester Erstlingsfilm' nominiert. Weiterhin lief der Film auf zahlreichen internationalen Filmfestivals, u.a. in Sao Paulo, Montreal, Göteborg und Austin. WANJA gewann als'Bester Debütfilm' bei den Biberacher Filmfestspielen und als 'Bestes Drehbuch' auf dem Valletta Filmfestival, Malta. WANJA hatte im Sommer 2016 seinen deutschen Kinostart. Während der Zeit in der Villa Aurora plant Carolina Hellsgård das Drehbuch für ein Science-Fiction Drama über die heutige Weltlage, fertig zu stellen.




Kunsthistiker Dr. Michael Roth

Michael Roth begann seine wissenschaftliche und kuratorische Karriere als Assistenzkurator am Landesmuseum Württemberg in Stuttgart und als Kurator für Kunst und Geschichte im Ulmer Museum. Am Ulmer Museum organisierte er verschiedenen Ausstellungen zum Thema der süddeutschen Kunst und Kunstgeschichte mit Skulpturen und Plastiken, Malereien, Buntglasmalereien, Kunstobjekten, Drucken und Zeichnungen aus dem späten Mittelalter bis hin zum frühen Klassizismus (Hans Multscher, Michel Erhart und Jörg Syrlin, der Meister der Drapierungs-Studien und die Strasburg Buntglasproduktion im späten 15. Jahrhundert, Januarius Zick). Außerdem organisierte er Kunst- und Künstlershows aus dem 20. Jahrhundert in der Tradition der Ulmer Hochschule für Gestaltung (wie Anton Stankowski und Friedrich Vordemberge -Gildewart). Heute, als Chefkurator der Deutschen Kunst im Kupferstichkabinett der Staatlichen Museen zu Berlin, fokussiert er das Gebiet der deutschen Zeichnungen, Beleuchtungen und Drucke bis 1800. In diesem Bereich organisiert er Ausstellungen und bearbeitet Katalog-Raisonnées basierend auf Werken von Georg Flegel, Albrecht Dürer und Matthias Grünewald. Zuletzt realisierte er eine Ausstellung über die Schrift als Bild, Kalligraphie und die Kunst des Schreibens aus dem frühen Mittelalter bis 1800. Derzeit ist er einer der Kuratoren der Staatlichen Museen zu Berlin, und bereitet die Ausstellung "Renaissance und Reformation“ vor. Deutsche Kunst im Zeitalter von „Dürer und Cranach" im Los Angeles County Museum.
Kooperation mit dem Getty Research Institute

Eintritt frei, RSVP 310 454 4231 oder



CHICAGO - EIN STÜCK BAUHAUS

AUSSTELLUNG
Mi, 25.01.2017 -
Fr, 02.06.2017

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150 N. Michigan Ave.
Suite 200
Chicago

Rebecca Witon: Lafayette Park 2014
Lafayette ist ein Name, am besten bekannt als derjenige für das Kaufhaus aller Kaufhäuser: das Pariser Lafayette. Lafayette ist Verheißung: edle Produkte, Eleganz, Luxus, Konsum. Lafayette heißt auch ein Park, der Ende der 1950er Jahre von Mies van der Rohe in Detroit gestaltet und bebaut wurde, als Teil des „Urban Renewal Programs“, das sich darum bemühte, die weiße Mittelschicht in der Stadt zu halten.

Detroit könnte zum Zeitpunkt des Entstehens dieser Fotografien von eben jener Verheißung kaum weiter entfernt sein, Teile der Stadt wurden zunehmend der Natur zurückgegeben. Das Künstlerbuch La Fayette verbindet architektonische Aufnahmen mit Fotografien der Stadtbewohner und Details, die sich in Anlehnung des Mottos ,form follows function‘ im fotografischen Bild miteinander verbinden.









Rebecca Wilton studierte Fotografie an der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig, wo sie von 2006 bis 2008 Meisterschülerin von Timm Rautert war. Ihre letzte Einzelausstellung „Work‘s in Progress“ in der Galerie Jochen Hempel, Leipzig (2016).


Ein zentrales Motiv in der Arbeit von Rebecca Wilton ist das Herausarbeiten historischer Überlagerungen in städtischer wie in ländlicher Umgebung, die sich in Gebäuden, öffentlichen Plätzen oder in der Natur niederschlagen. Ihr Arbeitsprozess gleicht dabei einer archäologischen Untersuchung, in der sie die kulturellen Einschreibungen eines Ortes aufspürt und mit fotografischen Mitteln sichtbar macht. In einer sorgfältig gewählten Bildsprache legt sie die Zeitschichten frei, die ein jeder Ort erkennen lässt. Darin wird ein weiterer Aspekt Rebecca Wiltons Arbeit deutlich: die Differenz zwischen dem Gesehenen und Gewussten sowie deren Überlagerung im fotografischen Bild.

Peter Marino

Als das Pariser Kaufhaus Bon Marché 1875 eine Galerie mit Kunstwerken, die von den Salons abgekehnt wurden, eröffnete, galt es bei seinen Kundinnen sofort als chic. Peter Marino, Architekt für Dior, Vuitton, Chanel und andere Luxusmarken, ist ebenfalls von der Magie der Kunst als Verkaufskatalysator überzeugt. Allerdings arbeitet er nicht mit Außenseitern, sondern mit Stars wie James Turrell, Teresita Fernandez, Vik Muniz, Richard Prince und sogar mit Sol Lewit - posthum, und vielleicht nicht unbedingt in dessen Sinne. Doch Michal Rovner, Israels prominenteste, für häufig ebenso verstörende wie betörende Arbeiten bekannte Künstlerin, ließ sich unschwer zu einer Videoinstallation für die Fassade des Chanel Shops in Hong Kong überzeugen: schließlich sehen an einem Tag mehr Menschen ihre von den Gasfeldern Kazakhstans inspirierten, abstrahierten Flammen über die Häuserwand strömen als während einer mehrmonatigen Show im Jeu de Paume oder Whitney Museum. 


Die glamouröse Dior-Boutique von Peter Marino in London ist die größte
des United Kingdom 

"Es wird einem etwas von erlesener Qualität geboten", sagt Marino, der im Laufe seiner Karriere mehr als 250 Werke für die Glamourbranche in Auftrag gegeben hat - nichts drückt seines Erachtens mehr Respekt für den Kunden aus als hochwertige Kunst. Auch wenn sie längst mit dem Kommerz ein vermutlich unwiderruflich osmotisches Verhältnis eingegangen und Purismus kaum noch einzuklagen ist - büßt die Kunst bei dieser Transfusion ihres Lebenssaftes an Objekte rein materieller Begierde etwa nicht an Kraft ein? Im stetig verschärften Konkurrenzkampf zwischen Bequemlichkeit und Unterhaltung beziehungsweise zwischen Online- und Erlebnis-Shopping sind Art Brands wie Richard Prince und Damien Hirst den High-End Modefirmen wichtig genug, um circa drei Prozent ihres Milliardenbudgets auf sie zu verwenden, wobei die Architektur ist mit Abstand der teuerste Posten bleibt.



Peter Marino, der seine Karriere als Innenarchitekt für Warhol begann und sich mit Museumsintereurs und Edelläden zum "Art Architekten" - so der Titel eines im Sommer bei Phaidon erschienenen Bildbandes - spezialisierte, wollte schon immer wie Andy sein. "Wir leben in einem Land der Massenproduktion und der Popstars - die Kardashians sind unsere Liz und unsere Marilyn." Er wünscht sich nichts mehr als dass seine Architektur und die Kunst, mit der er sie füllt, unser Zeitalter ausdrücken möge. Und das gelingt ihr wohl allzu gut.
C.S.

New York - Jane Jacobs,Schutzheilige des Village

In Greenwich Village beginnt der Tag gelassener als anderswo in Manhattan: Im Mucho Gusto Café blättern die Stammgäste beim Chai Pumpkin Latte in aller Ruhe in der Times, ein junger Mann mit Kampfstiefeln, knielangem Faltenrock und wuchtigem Fuchspelzkragen schlendert mit einer teueren Aktentasche die Hudson Street herab und ein Gespann von Möpsen, französischen Bulldoggen und einem Königspudel zieht hechelnd einen Dogwalker hinter sich her. Aber der umablässige Strom zügiger Radfahrer in Richtung der Wolkenkratzer von Midtown verleiht dem gemächlichen Morgen dann doch seine New Yorker Zielstrebigkeit.



1961 beschrieb Jane Jacobs in ihrem revolutionären Buch "The Death and Life of American Cities" an eben diesem Ort das alltägliche "Bürgersteig-Ballett" ihrer Nachbarschaft: der Besitzer des Lebensmittelladens nebenan stapelt die leeren Kisten des Vortags aufeinander, der Barbier bringt seinen Klappstuhl nach draußen, Mr. Goldstein arrangiert die Drahtspulen im Schaufenster seiner Eisenwarenhandlung, während elegant gekleidete Damen und distinguierte Geschäftsmänner aus den Brownstones der Seitenstraßen auf die Bühne der Avenue treten. Die legendäre, über mehrere Seiten reichende Passage destilliert eine grundlegende Ordnung aus dem Tumult individueller Aktivitäten: die Stadt selbst - ihre Architektur, ihr Straßenraster, die Formation ihrer Häuserblöcke, ihre Mischung von Kommerz und Wohnen – inszeniert die komplexe Choreographie. Jacobs verdankte ihre bahnbrechenden Einsichten in das Wesen der Metropole weniger akademischen Studien und Statistiken als der minutiösen Beobachtung des Alltags ihrer unmittelbaren Umgebung. Und nicht zuletzt der Überzeugung, dass den Einwohnern mehr Authorität über die Gestaltung und soziale Organisation ihrer Nachbarschaften zustehen sollte als den Architekten und Städtebauern. Von Ben Carson, den Trump gerade zum Minister für Wohnungswesen und Stadtplanung ernannte und der sich allein durch ein paar Kindheitsjahre in einer Sozialwohnungssiedlung für den Posten qualifiziert wähnt, hätte sie vielmehr auch die Unterstützung  unterprivilegierter Mitbürger durch integrativen Wohnungsbau verlangt. “Fair Housing” bedeutete für Jacobs die Koexistenz unterschiedlicher Einkommensgruppen auf engem Raum – der ehemalige Neurochirurg versteht darunter jedoch “obligatorische Sozialtechnik” wie im Kommunismus.


Lust an der Unfolgsamkeit
Jane Jacobs hat gerade ihren hundertstend Geburtstag gefeiert, und mit ihrer Zivilcourage, ihrer Lust an der Unfolgsamkeit und ihrer Vision der Großstadt als einem ebenso gewaltigen wie filigranen Organismus ist sie heute wichtiger denn je: wenn Banken und immergleiche Ladenketten überall eine desorientierende Monotonie verbreiten, wenn die hundertmillionen Dollar Apartments in neunzigstöckigen Glastürmen 350 Tage im Jahr unbewohnt sind, wenn sich Innenarchitekten auf Mikroapartments vom Ausmaß einer Gefängniszelle spezialisieren und Einkommensschwache wegen der nie dagewesenen Wohnungsnot zugunsten der Mittelklasse aus ihren verkommenen Mietskasernen vertrieben werden, sind ihre Schriften ein Aufruf zum Widerstand. Die 400-seitige Biographie "Eyes on the Street", eine Anthologie kurzer Text emit dem Titel "Vital Little Plans' und die im März uraufgeführte Oper "A Marvelous Order" zeichnen das Portrait einer furchtlosen Frau, die sich die Zerstörung ihrer geliebten Stadt nicht gefallen ließ. Selbst von dem mächtigen Robert Moses, der das New York des 19. Jahrhunderts im Dienste einer modernen, dem Auto geweihten Utopie niederreißen wollte, ließ sich die Tochter eines prominenten Arztes und einer emanzipierten Krankenschwester nicht einschüchtern.

Als Jane Butzner 1934 aus der Industriestadt Scranton nach Brooklyn zog, erschien ihr Manhattan als ein verwirrendes, beglückendes Chaos. Für Vogue schrieb sie Artikel über den Pelzhandel, über das Blumenviertel, den Diamantendistrikt, die Lederinsdustrie. Auf einer ihrer Erkundungsfahrten mit der U-Bahn landete sie an der Christopher Street - und fand ihre zukünftige Heimat inmitten der literarischen, künstlerischen und politischen Avantgarde des Village. Mit der heute längst vertriebenen Boheme dieser Ära, deren Mythos weiterhin die Immobilienpreise hebt, hatte sie wenig Kontakt. Vielmehr faszinierten sie jene unauffälligen Bürger, die das reibungslose Funktionieren ihres Viertels garantierten. In der Nachkriegszeit, als die Suburbs an Beliebtheit gewannen und amerikanische Metropolen unter Vernachlässigung zu leiden begannen, als ökonomische Monokulturen wie die Autoindustrie in Detroit ihrem Niedergang entgegen steuerten, als die Kriminalität stieg und die Staße vom geteilten zivilen Raum zur Gefahrenzone mutierte, verteidigte sie unermüdlich die Qualitäten der Megacity.

Der Bürgersteig als Seele der Stadt
Für Jacobs ist der Bürgersteig die Seele der Stadt: in dieser öffentlichen Sphäre summiert sich eine Vielzahl trivialer Interaktionen zwischen Nachbarn, Ladenbesitzern und Restaurateuren zu einem keineswegs trivialem Vertrauen, das “man nicht durch Instititutionen kultivieren kann” und das niemandem eine Verpflichtung zu privater Nähe abverlangt: jede Metropole ist eine Ansammlung von Mikrodörfern, deren Mischung von Freundlichkeit und Anonymität vor Provinzialität bewahrt. Als Jacobs 1956 ihre Kritik an der Vervorstädterung der City, an Hochhaussiedlungen, Grüngürteln, Satellitenstädten und gewaltsamen Verschönerungsaktionen auf der allerersten Stadtplanungskonferenz an Harvard vor Stararchitekten wie Richard Neutra und José Luis Sert vortrug, initiierte sie den sogenannten "Density Turn": die Einsicht in die Wichtigkeit urbaner Konzentration. Mit dem Klimawandel wurde ihr Beharren auf der Verquickung von Wohnen und Gewerbe und vor allem ihr Lob "überschäumender Dichte", die nicht nur eine Aura von Energie generiert, sondern auch tatsächlich Energie spart, zum Mantra. 















Jane Jacob vor ihrem Haus

Doch Mitte des 20. Jahrhunderts verstieß Jacobs mit ihren Thesen gegen die ordnungsliebende Moderne, die alte, organisch gewachsene Städte zu großen Teilen als ungesunde, unhygienische Slums betrachtete: die "Megalopolis, Tyrannopolis, Nekropolis" war nichts als "versteinertes Chaos", das neuen Siedlungen und gepflegten Grünflächen weichen sollte - "Gras, Gras, Gras", stöhnt Jacobs in der Einleitung zu "Death and Life" und beklagt die friedhöfliche Atmosphäre ehemals lebendiger Gegenden: "Wenn man das Erscheinungsbild der Dinge zum primären Zweck oder zum Hauptdrama macht, schafft man sich nichts als Ärger." 

Le Corbusier, dessen Ville Radieuse das Modell für den sozialen Wohnungsbau lieferte, ist einer jener idealistischen Denker, die sich bei Jacobs als "zwanghafte Manager der Freizeit anderer Leute" unbeliebt machten. Etliche Besuche des George Washington Housing Projects in East Harlem überzeugten sie davon, dass diese isolierten, vom Straßenraster abgeschnittenen  Wohnsilos inmitten struppiger Grünflächen als Brutstätten sozialer Pathologien fungierten. "Niemand fragte uns, was wir wollten, als man diese Siedlung baute. Man riß unsere Häuser ab und schob uns hierhin und unsere Freunde dahin ab. Nirgendwo kriegt man hier auch nur einen Kaffee oder eine Zeitung", zitiert Jacobs eine verbitterte Mieterin. Wie die meisten wider Willen verpflanzten Bewohner dieser unkommunikativen Neubauten suchte auch sie noch immer ihre alte Nachbarschaft auf: rund 1500 kleine Geschäfte und Betriebe - vom Candy Store über den Friseur bis zu den Fleischereien - wurden vom George Washington Project und ähnlichen Siedlungen allein in East Harlem vertrieben - und nie ersetzt. Selbst Kirchen fielen der neuen Ordnung zum Opfer. Als jedoch das ambitionierte, von Minoru Yamasaki (dem späteren Architekten des World Trade Centers) in St. Louis gebaute und bald zum Inbegriff von Vandalismus und Kriminalität verkommene Pruitt-Igoe Housing Project 1972 gesprengt wurde, fand Jacobs die symbolträchtige Aktion verschwenderisch: sie plädierte dafür, diese abgekapselten Armutsfestungen in das Gewebe der Stadt zu einzuflechten statt 12.000 Menschen aus ihrem vertikalen Ghetto zu vertreiben. Im vergangenen Dezember hielten dann schließlich Architekten und Stadtplaner am Cooper Union College in New York ein Symposium zur Restaurierung und Verbesserung der nun als wertvoll, ja unersetzlich erkannten Bausubstanz alter Sozialbauten in London, Paris und Toronto ab.


Strategin der Rettungskampagne
Den Bau des Lincoln Centers, der die Exilierung von 15,000 Bewohnern der berüchtigten “Hells Kitchen” verlange, konnte Jacobs nicht verhindern, und tatsächlich ist der Komplex um die Metropolitan Opera nicht unbedingt ein öder “Superblock”.  Doch als sich 1958 die Pläne zur Zerstörung des Washington Square Parks konkretisierten, übernahm sie eine führende Rolle als Strategin der Rettungskampagne. Schon in den 30er Jahren hatte Robert Moses darauf gesonnen, dieses Verkehrshindernis am Fuße der Fifth Avenue, von dessen Triumphbogen Marcel Duchamp und der Maler John Sloan 1917 die unabhängige Republik Greenwich ausgerufen hatten, zu eliminieren. Als die Aktivisten die heute undenkbare Zerstörung des Village-Juwels schließlich verhinderten, wetterte der erfolgsverwöhnte Moses, dass sich "Niemand, niemand, niemand, außer einem Haufen von Müttern!" gegen seinen grandiosen Plan gewehrt hätte. 

Moses verglich seine Ausmerzung der zu Slums degradierten Bezirke mit Georges-Eugène Haussmanns radikaler Erneuerung von Paris im 19. Jahrhundert. "Man kann kein Omelett braten, ohne Eier zu zerbrechen", lautete sein Leitspruch. Doch Jacobs empfand seine Schnellstraßen als mit der Machete geschlagene Wunden, die zur "Los Angelesierung" ihrer Stadt führten.  Als 1960 vierzehn Häuserblocks in ihrer eigenen Nachbarschaft den Bulldozern zum Opfer fallen sollten, verwandelten sie und ihr Mann - der progressive Krankenhausarchitekt Robert Jacobs - Wohnzimmer und Küche zur Einsatzzentrale: die Klingel wurde abgestellt, die Haustür blieb offen, die Mitstreiter kamen zu jeder Tages- und Nachtzeit, mischten sich ihre eigenen West Village Martinis - und siegten. Der erste, ausschlaggebende Schritt war die Aufhebung der Klassifizierung zum Elendsviertel gewesen.

Jacobs letzte Schlacht in Manhattan galt der Verhinderung des Lower Manhattan Expressways, einer achtspurigen Schneise durch Little Italy und das heute denkmalgeschützte SoHo. In den Künstlern, die Fabriketagen als Ateliers kolonisierten, fand sie treue Alliierte. Bei einer wilden Versammlung gegen den LOMEX wurde Jacobs 1968 verhaftet, wie schon zuvor bei einer Demonstration gegen den Vietnamkrieg. Ihre drei Kinder hatte sie im Geist des zivilen Ungehorsams erzogen, ihnen warme Unterwäsche für winterliche Friedenskundgebungen gekauft, sie zum Plakatieren angeheuert und zur nächtlichen Entfernung von Sicherheitszäunen angestiftet, ohne die Gebäude nicht abgerissen werden durften. Nun bestand die Gefahr, dass ihr bald achtzehnjähriger Sohn Ned eingezogen würde, und auf Jane wartete eine mögliche Gefängnisstrafe. So floh die Familie heimlich im Juni 1968 in einem klapprigen VW-Bus nach Toronto. Und kaum ließ sie sich an der Spadina Street nieder, protestierte Jane gegen den geplanten Spadina Expressway: er wurde nicht gebaut. 

Kein Auftritt mehr vom Corps de Ballett
Bob und Jane hatten ihr schmales Haus im Village Ende der Vierziger Jahre für 7000 Dollar gekauft - 2008 kam 555 Hudson Street für 3,5 Millionen auf den Markt. Im Parterre sitzt jetzt der Immobilienmakler Next Step Realty. Daneben ein leerstehendes Ladenlokal mit eleganter Pforte, dann Perry's News & Grocery, um zehn Uhr früh immer noch und bald sicherlich ganz geschlossen. Mit ihren schwarzen Plastikplanen tragen die Schaufenster von Nummer 557 längst Trauer: wie überall in New York können kleine Unternehmen die Wuchermieten nicht bezahlen, die Hausbesitzer genießen dagegen Steuervergünstigungen für den Einkommensverlust und warten entspannt auf eine Starbucksfiliale, oder die Schokoladenboutique, die ein Investor seiner Frau spendiert - das Corps de Ballet tritt hier schon lange nicht mehr auf. Der schmucke Park ein wenig nördlich ist eine Bereicherung im früher kaum begrünten Village, nur sind die Bänke von Obdachlosen besetzt – erst in den 70er Jahren wurden die Homeless zum Schatten der wachsenden Gier, heute sind es über 60,000.  Aber zumindest über den neuen Fahrradweg würde sich die 2006 verstorbene “Schutzheilige des Village” freuen und sogleich zum Trump Tower radeln – um vier Uhr früh käme dann ein Tweet, und das wäre ein guter Anfang.
Claudia Steinberg

Museum Barberini feierlich eröffnet "Atemberaubend in seiner Art der Bilder"

Potsdams Mitte ist um eine kulturelle Attraktion reicher: Bei der Eröffnung des Museums Barberini lobte Kanzlerin Merkel das Kunsthaus als "atemberaubend". Zum Start werden im barocken Palais 170 bedeutende Werke des Impressionismus und der Klassischen Moderne präsentiert.









Kanzlerin Merkel bewunderte die Werke im neuen Museum Barberini des Mäzens Hasso Plattner.

Zu den rund 500 geladenen Gästen zur Eröffnung zählte Bundeskanzlerin Angela Merkel. Die Kanzlerin würdigte in ihrer Rede die Wiedererrichtung des Museums nach historischem Vorbild. "Jetzt ist das Palais Barberini wiederauferstanden als Museum Barberini, und damit knüpft das Haus an einstige Traditionen als Ort der Kultur im Herzen der Stadt an, und das und wie das möglich wurde, sagt viel über unser Land aus", sagte Merkel.
Mit dem brandenburgischen Ministerpräsidenten Dietmar Woidke und Museumsstifter und Mäzen Hasso Plattner bewunderte die Kanzlerin dann die herausragenden Kunstwerke bei einem Rundgang.

Die Bundeskanzlerin zeigte sich nicht nur von den Kunstwerken beeindruckt, sondern auch von dem bürgerschaftlichen Engagement von Hasso Plattner. "Kreative Menschen wie Sie, Herr Plattner, zeichnet aus, dass sie Chancen sehen und nutzen und sich nicht von Risiken abhalten lassen, denn Ihr Name ist ja seit vielen Jahren eng mit der Stadt Potsdam verbunden", so Merkel.
Kunst von Weltrang
Auf 2.000 Quadratmetern, verteilt auf drei Stockwerke mit insgesamt 17 Räumen, zeigt das Palais Barberini Kunst von Weltrang. Das Museum startet mit 170 Bildern in zwei Ausstellungen. Den Anfang macht die Ausstellung "Impressionismus. Die Kunst der Landschaft". Die zentrale Figur ist Claude Monet – allein 41 Bilder stammen von ihm. Seine farbenprächtigen Seerosen-Gemälde bilden einen glanzvollen Höhepunkt. Die zweite Schau zeigt "Klassiker der Moderne" mit bedeutenden Werken unter anderem von Liebermann, Kandinsky und Munch. Pro Jahr sind drei Ausstellungen geplant - mit Gemälden aus der privaten Sammlung Plattners und Leihgaben großer Museen aus ganz Europa.

Kunstliebhaber zeigt auch private Sammlung
Hasso Plattner, erfolgreicher Unternehmer und leidenschaftlicher Kunstsammler, hat sich mit dem Museum Barberini einen Wunsch erfüllt: Er ließ das Barockpalais innerhalb von nur drei Jahren mit originalgetreuer Fassade wiederherstellen. Plattner will mit dem Museum, das vollständig über seine Stiftung finanziert wird, an Kunst interessierte Menschen aus der ganzen Welt ansprechen. Ebenso ist es dem Kunstliebhaber ein Herzensanliegen, seine private Sammlung, zu der unter anderem 80 Werke von DDR-Künstlern und etwa 240 Impressionisten gehören, hier zu präsentieren.

Interessant ist jetzt schon, dass die britische Tageszeitung The Guardian bereits eine Top Ten der zehn weltweit wichtigsten Museumseröffnungen des Jahres veröffentlicht – und das Barberini steht auf Platz 1.

New York - Männer, wir kommen: Frauen-Ausstellungen sind mehr und mehr gefragt

1976, auf dem Höhepunkt ihrer Karriere, weigerte sich Georgia O’Keeffe, an der Schlüsselausstellung “Women Artists: 1550 to 1950” in Los Angeles teilzunehmen: als die berühmteste Künstlerin Amerikas wollte sie sich nicht auf weibliche Gesellschaft beschränken. Neuerdings erfreuen sich ausschließlich mit Frauen besetzte Ausstellungen, die in den 80er und 90er nahezu ausstarben, jedoch wieder größter Beliebtheit: Mit Arbeiten von hundert prominenten Künstlerinnen – darunter Cecily Brown, Marlene Dumas und Kara Walker –, die Mera und Steve Rubell unter dem Motto “No Man’s Land” im National Museum of Women in the Arts (bis zum 8. Januar) versammelten, wollte das Paar die noch immer miserable Statistik von weiblicher Kunst in den Museen und nicht zuletzt den Wert der eigenen Sammlung aufbessern. 


Amerikas wohl bedeutendste Malerin des 20. Jahrhunderts, Georgia O'Keeffe

Im Sommer präsentierte das Center for Curatorial Studies am Bard College eine Gruppenshow mit dem von Valie Export inspirierten Titel “Invisible Adversaries”, die Werke von Feministinnen wie Lynda Benglis und Lorna Simpson zeigte Die größte Aufmerksamkeit erhielt jedoch die Eröffnungsausstellung der spektakulären Hauser, Wirth & Schimmel-Galerie im neuen Arts District von LA – “Revolution in the Making: Abstract Sculpture by Women, 1947-2016” hatte kein geringeres Ziel, als mit hundert raumgreifenden Objeken von 34 Künstlerinnen wie Lee Bontecue, Louise Bourgeois und Gego die männlich Kunstgeschichte des 20. Jahrhunderts mit ihrem Schwergewicht auf abstraktem Expressionismus, Minimalismus und Konzeptkunst umzuschreiben. Im Rausch feministischer Power stellte die gigantische Galerie dann im August ihren Innenhof  für ein Gruppenfoto von 733 Künstlerinnen zur Verfügung. Catherine Opie, die in den 90er Jahren mit ihren Portraits der Schwulen-und Transgenderszene berühmt wurde, war zunächst unschlüssig: “Revolution” zeigte ihres Erachtens nicht genügend zeitgenössische Künstlerinnen, und noch immer werden trotz feministischer Imagepflege vergleichsweise wenige Frauen von der Galerie vertreten. 

Die New Yorker Schriftstellerin Siri Hustvedt erinnerte kürzlich in einem Essay daran, dass der britische Kunstkritiker Brian Sewell 2008 im Independent zu behaupten wagte, daß es  “noch nie eine erstklassige Künstlerin” gegeben habe: “Nur Männer sind zu ästhetischer Größe fähig.” In noch jüngerer Vergangenheit verkündete Georg Baselitz: “Frauen malen nicht sehr gut. Das ist eine Tatsache.” Und fügte hinzu: “Der Markt hat, wie immer, Recht.” Aber er läßt sich auch manipulieren: das zum großen Teil unerschlossene, über Jahrzehnte produzierte Inventar von Kunst aus weiblicher Hand erleichtert das Zusammentragen von Museumsausstellungen. 

Darüber hinaus sind Entdeckungen zu machen, wie im Falle der 99-jährigen, bis vor kurzem unbekannten Carmen Herrera, der das Whitney gerade eine Soloshow widmete. Oder wie bei Susan Frecon, die bei der ersten Whitney Biennale des neuen Milleniums mit knapp sechzig das Licht der Öffentlichkeit erblickte und nun von Zwirner im großen Stil vertreten wird. Hustvedt spekuliert, ob ein “geschlechtsblindes” Verhältnis zur bildenden Kunst, vergleichtbar mit der nur nach dem Gehör getroffenen Auswahl von Musikern für das Metropolitan Opera Orchester, nicht vorzuziehen wäre – ob dann Eva Hesses radikal experimentelle Arbeiten nicht vielleicht als maskulin und Joseph Cornells zarte Assemblagen nicht als weiblich gesehen würden. Wie so viele ihrer Geschlechtsgenossinnen fürchtet sie, dass die Kategorie der Frauenkunst einem schwer zu entkommenden Ghetto gleicht, auf alle Zeiten die Ausnahme von der Regel – wer spricht schon je von Männerkunst? Noch immer ist sie der Standard: letztes Jahr stammten ganze sieben Prozent der Exponate in der hauseigenen MoMA-Sammlung von Frauen.


Marlyn Minter
New York - Mit der zunehmend ins Rampenlicht gerückten Transgender Welt haben feministische Künstlerinnen die Verstärkung einer lange kaum sichtbaren Minorität im Kampf um die Gleichberechtigung erhalten. Zugleich aber gehen Vertreter der Queer Art wie Zackary Drucker und Rhys Ernst einen großen Schritt weiter: das Paar fand sich, als Zackary die Transformation vom Mann zur Frau und Rhys den umgekehrten Prozeß began – die zärtliche Dokumentation ihrer parallelen Geschlechtsumkehrung wurde zu einem gefeierten Beitrag der Whitney Biennale von 2015, der die traditionelle Dualität von Mann und Frau obsolet macht. Mit seinen Fotos von Transmännern und -frauen entmystifiziert der Fotograf Amos Mac eine immer selbstbewußtere Gemeinde, die eine beispielhafte Fluidität sexueller Kategorien lebt. In der langen Tradition von Claude Cahun bis Anna Mendieta kreierte die junge Fotografin Rowan Renee, ein langjähriges Inzestopfer, intensive Bilder von Gewalt und Heilung am eigenen Leib, die in einem diskreten Selbstportrait ihres nackten Köpers mit einem von der Sonne rot beschienen Dildo kulminieren.



Mierle Laderman Ukeles: Retrosspektive im Queens Museum


Mit ihrer jeweiligen Affinität zu ramponiertem Glamour feierten in diesem Jahr sowohl Marilyn Minter im Brooklyn Museum (bis zum 2.4.17) als auch Nan Goldin im MoMA Lust und Leid polymorpher Begierden. Doch das letzte Wort behält wohl eine andere Veteranin feministischer Kunsttheorie und –praxis: diesen Herbst widmete das progressive Queens Museum Mierle Laderman Ukeles eine Retrospektive (bis zum 19.2.17) ihrer in den 60er Jahren ins Leben gerufenen “Maintenance Art”: als die Malerin zur Mutter wurde und sich damit plötzlich aus der Künstlergemeinde exkommuniziert und in die Sphäre eines mißachteten Servicejobs katapultiert fand, verfaßte sie in einer Nacht ihr “Manifesto for  Maintenance Art 1969!” Fortan erklärte sie das Reinigen, Instandhalten, Pflegen, Bewahren und Reparieren, das ein Drittel unsere Lebens in Anspruch nimmt, aber keinerlei Respekt erhält, zu ihrem Thema. Sie schüttelte die Hände von über 8500 Müllmännern und inszenierte Ballette mit ihren mächtigen Fahrzeugen. Sie wischte Straßen und animierte Hausmeister und Putzfrauen des Whitney Museums, ihre Arbeit zu dokumentieren und zur Kunst zu erklären. Mierle Laderman Ukeles’ Oeuvre erinnert an ein amerikanisches Sprichwort: “Frauenarbeit kennt kein Ende” –  und das gilt auch für die mühsame Aufgabe, ihrer Kunst die gebührende Anerkennung und Verbreitung zu verschaffen.
Claudia Steinberg