Irgendwie hatte ich den Film “Letztes Jahr in Marienbad” von 1961 im Sinn - obwohl ich mich nicht mehr so genau an den Inhalt erinnern konnte, als meine Familie daran dachte, eine Kurzkur in Tschechien zu unternehmen. Die Frage war: Karlsbad, Marienbad oder Franzenbad - wir kannten nichts davon - und da ich den Film noch immer im Kopf hatte, kam Marienbad in die enge Wahl. Dabei lernten wir, dass diese drei Kurorte nahe der deutschen Grenze, die vor 200 Jahren zu den berühmtesten der Welt zählten, einst Zentrum des gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Lebens waren.
Die berühmten Kolonaden, in denen man seinen Gesundheitsbrunnen zu sich nimmt |
Noch ein bisschen Geschichte: Am Anfang des 20. Jahrhunderts erreichte Marienbad seine Vollblüte. Der Name Marienbads überquerte weit die österreichisch-ungarische Grenze. In der Kursaison verweilten in Marienbad bedeutende Adelige, Künstler und Unternehmer. Seinen Sommeraufenthalt hat hier der mächtigste Regent der Welt verbracht, der englische König Edward VII. Im Jahre 1904 hat ihn in Marinenbad der österreichische Kaiser Franz Josef I. besucht. Namen, mit denen Marinebad am häufigsten verknüpft wird, sind abgesehen vom englischen König, der deutsche Schriftsteller Johann Wolfgang Goethe, der Psychoanlytiker Siegmund Freud oder der geniale Komponist und Klavierspieler, aus Polen, Fryderyk Chopin. Die Prominentenliste ließe sich fast endlos fortsetzen.
Die Kolonnaden von aussen
Meine Schwester, meine Tochter und ich entschlossen uns also für Marienbad und wurden völlig überrascht. Die Tradition, der alte Glanz, der Charme vergangener Jahrhunderte begleiteten uns auf Schritt und Tritt. Man spaziert durch wunderschöne Parkanlagen und bewundert die eleganten Badehäuser und die prächtigen Villen. Und das Beste: Egal, ob Nobelhotel oder einfache Pension, alles ist bezahlbar und man bekommt mehr für sein Geld, als man erwartet. Wichtig ist nur, rechtzeitig zu buchen, denn die besten Zimmer sind schnell belegt.
Marienbad verfügt über rund 40 Mineralwasserquellen, zahlreiche Wanderwege und sehr gute Luft. Die Gemütlichkeit der Stadt versetzt den Besucher in die Zeit des ausgehenden 19. Jahrhunderts zurück |
Wir hatten Glück mit unserer Spontanbuchung in einem Haus aus dem Jahr 1880 - das verrät die Fassade - aber innen war es modern renoviert: Ein Doppelzimmer in diesem Vier-Sterne Hotel kostete pro Person 380.00 Euro für sieben Tage. Drin im Preis: Vollpension mit Frühstück, Lunch und Dinner, dazu zehn Behandlungen. Für ein paar Euro kann man aber noch mehr Behandlungen bekommen. Wir sind zum Beispiel fast jeden Abend vor dem Dinner ins Nachbarhotel zum Schwimmen im Warmwasser-Bassin gegangen. Übrigens ist auch die kulinarische Szene mit hübschen Restaurants und original tchechischer Menükarte absolut einen Besuch wert.
Die Fassaden der Hotels glänzen noch in alter Pracht, doch dahinter verbirgt sich elegantes Interieur und modernste Spa-Technik |
Direkt vor unserem Haus war eine Bushaltestelle. Überhaupt sind in Marienbad - wahrscheinlich auch in den anderen Städten - die Bus-und Bahnverbindungen fabelhaft, davon kann man nur träumen, wenn man wie ich in Los Angeles wohnt. Also haben wir kleine Sightseeing-Touren in die waldreiche Umgebung mit hübschen Orten - mit den für deutsche Zungen unaussprechlichen Namen - unternommen. Mit dem eigenen Auto sind wir dann allerdings nach Pilsen gefahren, schließlich ist Tschechiens berühmte Brauerei-Metrople 2015 Kulturhauptstadt Europas. Aber Pils ist in Pilsen nicht alles - obwohl sich auch für Nicht-Biertrinker eine Brauerei-Tour absolut lohnt.
Der dichte Kaiserwald rahmt die Stadt ein. Hier sollen nachts Märchengestalten spuken |
Die gotische St-Bartholomäus-Kathedrale ist das Wahrzeichen von Pilsen. Die Rundum-Aussicht vom Turm ist großartig. Der zentrale Platz der Republik ist seit der Gründung von Pilsen 1295 einer der größten Stadtplätze Europas. Die große Freifläche im Zentrum neben dem Rathaus und der Kathedrale säumen wunderschöne Bürgerhäuser aus Renaissance und Barock. Und in Pilsen hat das Puppenspiel eine lange Tradition, also ist ein Besuch im Marionetten-Museum fast ein Muss. Ich konnte mich kaum von den kunstvollen Puppen trennen. Es war nur sozusagen eine Momentaufnahme, aber ich habe beschlossen, wiederzukommen. Ebenso haben wir auch Marienbad noch nicht abgeschlossen und planen ”Nächstes Jahr in Marienbad”...
Ingrid Steinberg