Charlotte Moorman ist als "barbusige Cellistin" in die Kunstgeschichte eingegangen, als attraktive und couragierte Frau, die Männern wie John Cage und Nam Jun Paik zur Umsetzung ihrer revolutionären Ideen verhalf. Das legendäre, leuchtende Streichinstrument, das ihr Paik aus drei Fernsehmonitoren baute, ist sicherlich das eindrucksvollste und dank seiner antiken Technologie zugleich rührendste Objekt in der Ausstellung "A Feast of Astonishments - Charlotte Moorman und die Avantgarde 1960s-1980s" im Museum der Moderne Salzburg (bis zum 23. März 2017). Doch weit überraschender sind ein paar Blätter der 85-seitigen John Cage Partitur von "21'1.499 for a String Player", die Moorman als eine ebenso gründliche wie erfinderische Musikerin offenbaren - ihre zahllosen Notierungen zeugen von einer totalen Aneignung der fremdartigen Klangwelt.
Cages Aufforderung, sich von der Tyrannei des Komponisten zu befreien, nutzte sie weidlich aus und injizierte ein isländisches Wiegenlied, Zeitungsausschnitte, Gebrauchsanweisungen und Geräusche in die Tonkollage. Im Laufe ihrer dichten Karriere umarmte die an Julliard klassisch ausgebildete Cellistin unter anderem einen Balken aus Eis, eine Trainingsbombe des US-Militärs und nicht zuletzt Nam Jun Paik selbst, eine Saite vertikal über den Rücken gespannt, als ihr Instrument. Sie spielte verborgen in einem Sack, am Boden eines gläsernen Wassertanks und hoch über Linz, aufgehängt an einem Bündel von Otto Pienes Ballons.
Die einstige Schönheitsprinzessin aus Arkansas trat in aller Welt auf - von Venezuela über Israel bis Australien. Doch besonders in Deutschland entwickelte Moorman entscheidende Kontakte zu Avantgarde Musikern und Fluxuskünstlern wie Vostell und Beuys: er machte ihr eine Filzhülle mit rotem Kreuz für ihr Cello, sie führte ihn in die New Yorker Kunstwelt ein und brachte Stockhausen nach Übersee. Denn Moorman war nicht nur eine Performancekünstlerin, sondern auch ein Impressario: zwischen 1963 und 83 organisierte sie fünfzehn Avantgardefestivals - im Central Park und auf der Staten Island Ferry inszenierten Künstler wie Allen Kaprow, Geoffrey Hendricks, Alison Knowles, Carolee Schneemann und Yoko Ono wilde, kluge Aktionen. Moormans letzte Worte, bevor sie 1991 im Alter von 58 Jahren starb, waren eine Warnung an ihren Mann: "Schmeiß' bloß nichts weg." Glücklicherweise hat er sich daran gehalten.
Claudia Steinberg
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