New Canaan ist eine unvergleichliche Enklave moderner Architektur in Connecticut, angeführt von Phillip Johnsons noch immer radikalem Glass House. Im Herbst erhält die Region mit Saanas elegantem Pavillon für die Grace Farm Foundation - einer Organisation, die ein fast 40 Hektar großes Stück Land in der hügeligen Idylle Neuenglands auf alle Zeiten nahezu im Rohzustand erhalten und eine Gemeinde hochgesinnter Natur- und Kunstfreunde kreieren will - einen weiteren ultra-transparenten Bau: die Stiftung wählte Kazuyo Sejima und ihren Partner Ryue Nishizawa unter anderen Architekten aus, weil sie dazu bereit waren, ihr aus fünf separaten Volumen bestehendes Gebäude nahezu unsichtbar zu machen. Von oben betrachtet sieht es wie eine silberne Anakonda im Gras aus, oder wie ein knapp 500 Meter langes Stück des Mississippi - tatsächlich tauften die Pritzkerpreisgewinner das Grace Farm Hauptquartier “The River.” Der “Fluß” entspringt einer kleinen Anhöhe und schlängelt sich dann in ausufernden Windungen durch die von der Firma Olin sensibel manipulierte Landschaft. Das Team hatte das gesamte Terrain sehr gründlich nach dem optimalen Standort für die mit ihrer gewellten Glasfassde nahezu schwebende Einrichtung abgesucht, ehe es sich für den Platz entlang einer Reihe mächtiger Bäume entschied. Bei aller Behutsamkeit mußten doch ein paar Bäume gefällt werden, die nun unter anderem in den langen Tischen im Eßzimmer weiterleben. Holz, Beton, Stahl und Glas sind die Materialien, aus denen Sanaa ihr Umfeld schafft.
Das zarte 5000-Quadratmeter-Objekt beherbergt nicht nur eine Turnhalle, eine Bibliothek und einen Meditationsraum, sondern auch eine Reihe sitespezifischer Kunstwerke: Thomas Demand hat die Modelle der für ihre vielen, sorgfältigen Maquetten bekannte Firma auf eine Weise abgelichtet, dass sie beinah wie das reale Gebäude aussehen, nur eine merkwürdige Kälte und Glätte verweist darauf, dass es sich um ein dreidimensionales Trompe l’oeuil handelt. Teresita Fernandes wird ein Wandgemälde kreieren, und Olafur Eliason hat sich diesmal zu einer Textilarbeit entschieden. Die auf Augenhöhe episch lineare nur aus der Vogelperspektive dramatisch skulpturale Architektur wird jedoch die stille Hauptattraktion bleiben.
Claudia Steinberg