Der typische Trumpwähler war angeblich ein arbeitsloser Bergmann aus West Virginia, den die Rage über seine desolate Situation in den Rassismus und in die Arme des Demagogen trieb. Statt dieses fotogenen Typen mit verbeultem Pick-up und Konfederiertenflagge auf dem T-Shirt gaben jedoch vornehmlich Bürger der Mittelklasse dem Mogul ihre Stimme – ihr mittleres Einkommen liegt weit über dem Durchschnitt, und über die Hälfle hat einen Collegeabschluß. Wahrscheinlich setzten auch die meisten Kunstsammler aus dem Milliardärsclub für die Nummer 324 auf der Forbes-Liste der Allerreichsten. Von Wilbur Ross, der Werke von Magritte sowie zeitgenössische chinesische Kunst im Wert von rund 150 Millionen besitzt, wissen wir es: der 79-jährige Konkursexperte mit einem Vermögen von 2,5 Milliarden wurde gerade vom neuen Präsidenten mit dem Posten des Wirtschaftsministers belohnt. Und gewiß wird sich Trump für die zwei-Millionen-Spende des Baumagnaten und LACMA-Vorstandsmitglieds Geoffrey Palmer erkenntlich zeigen, dem wir dank der italianaten Fassaden seiner Wohnzitadellen mit Namen wie The Medici eine Seelenverwandtschaft zu Trump unterstellen dürfen.
Unmittelbar nach dem schicksalhaften 9. November diagnostizierte Sotheby’s CEO Tad Smith, dessen Hintergrund in der Entertainment Industrie eine Affinität zu Trump nahelegt, “eine ziemlich gute Stimmung unter den Sammlern” - die Auktionsergebnisse der folgenden Woche gaben ihm Recht: Während Künstler wie Olafur Eliason, Marilyn Minter und Pedro Reyes ihren Schock und Schmerz über den Triumph der Plutokraten in Widerstand umzumünzen versuchten, wurden Schätzungen übertroffen und Rekorde gebrochen: ein Monet ging ungeachtet der drohenden Apokalypse für 81.4 Millionen unter den Hammer, ein De Kooning brachte 66.3 Millionen. Die Kauflust der Sammler auf der Art Basel Miami war kurz darauf etwas gedämpft, was wohl weniger an der Politik als an der unweigerlichen Adjustierung des überhitzen Marktes lag. Doch nicht alle Galeristen wollten sich in der klimatisierten Messehalle vor der neuen Realität verschanzen: Gavin Brown zeigte eine Installation von Rirkrit Tiravanija, der riesige Tafeln mit der New York Times vom Tag nach der Wahl bepflastert hatte und darauf in großen Lettern vor der “Tyrannei des gesunden Menschenverstandes” warnte. Die Galeristen Tim Blum und Jeff Poe aus Los Angeles machten Sam Durants Schrift-Stück von 2008 mit den höchst akuten Worten “End White Supremacy” zum Gesprächsthema der Messe, auch wenn sich die $ 75.000-Arbeit nicht gleich verkaufte. Eine zweite Version von Durants Leuchtbox, die auf demselben Protestschild von einer New Yorker Bürgerrechtsdemonstration im Jahr 1963 basiert, hängt seit Ende November über dem Eingang der Paula Cooper Gallery in Chelsea – auf unbestimmte Zeit.
Der deutschstämmige Galerist Friedrich Petzel und sein Team waren von Trumps Sieg dermaßen erschüttert, dass er die für den Januar geplante Ausstellung verschob und stattdessen eine Notstandsveranstaltung anberaumte: bis zum 11. Februar sind Besucher der Chelsea Galerie eingeladen, ihre Gedanken zur akuten Lage in Worten und Bildern mitzuteilen. Parallel zeigen rund 25 Künstler, darunter Hans Haacke, Wolfgang Tillmans, Barbara Kruger und Jenny Holzer, aktuelle Werke, an den Wochenenden werden Symposien abgehalten, “Wir haben uns in unserer Blase allzu wohl gefühlt,” bereut der erfolgreiche Petzel, jetzt macht er sich Existenzsorgen: “Aber nicht darüber, ob ich morgen ein Bild verkaufe.” Vielmehr beängstig ihn das haßerfüllte Klima, das sich in seiner Wahlheimat breit macht.
Den wollen auch jene Künstler überwinden, die sich seit zwei Monaten unter dem Instagram Hashtag “Liebe Ivanka” höflich darum bemühen, über die “First Daughter” Einfluß auf den Vater zu gewinnen: sie möge ihm doch mitteilen, dass Rassismus nicht okay sei. Rund hunderfünfzig Künstler haben sich der von dem Galeristen Bill Powers, der Kuratorin Alison Gingeras und dem Installationskünstler Jonathan Horowitz initiierten Kampagne angeschlossen und sind auch schon mit ihren behutsamen Schildern vor dem Haus von Ivanka und Ehemann Jared Kushner aufmarschiert. Unter Anleitung des Kunstberaters Alex Marshall hat das Paar dort eine Sammlung mit Arbeiten namhafter Künstler wie Christopher Wool, John Baldessari, Gari Winogrand und Alex Israel zusammengetragen. Und so wähnen sich die “Artivisten” in der Gunst einer Geschäftsfrau, die einen Fernsehauftritt mit Daddy vor einem Millionenpublikum als Werbespot für ihren Schmuck nutzte und einen Kaffeeplausch mit ihr für eine fünfstellige Summe zu versteigern gedachte. Die zunehmend gordische Verknotung von Kunst, Kapital und Politik läßt sich am Fall der gefeierten Ausstellung des provokativen afroamerikanischen Künstlers David Hammons bei Robert Mnuchins illustrieren, einem ehemaligen Goldman Sachs Finanzier, der in seiner eleganten Upper East Side Galerie auch Calder, Giacometti und Bacon zeigt. Sein Sohn Steven Mnuchin hat für Soros, Clinton und Goldman Sachs sowie als Hollywood Produzent gearbeitet. Als Banker war er für Tausende von Zwangsvollstreckungen verantwortlich, die zur Großen Rezession beitrugen. Nun hat ihn Trump als Finanzminister in sein Kabinett geholt.
Als Leiter des National Endowment for the Arts, der mit einem Jahresetat von knapp 150 Millionen notorisch armen Kulturbehörde, hatte Der Donald seinen Fan Sylvester Stallone vorgesehen – er lehnte geschmeichelt ab. Das Interieur der dreietagigen Präsidentenresidenz in New York gibt ebenfalls Aufschluß über Trumps Geschmack: wie in der Politik ist ihm auch in der Kunst an der Wahrheit weniger gelegen als am Showbiz, und so hängen im Mini-Versailles hoch über der Fifth Avenue falsche Impressionisten im prächtigen Rahmen, abgesehen von einem echten Renoir, auf dessen Signatur der Besitzer stets stolz verweist. “Trump schätzt große Kunst”, zitierte die New York Post einen anonymen Freund, “aber die New Yorker Kunstszene findet er elitär und verlogen. Als Investment bevorzugt er Immobilien.” Maurizio Cattelans derzeit im Guggenheim installiertes Klo aus 18-karätigem Gold ist vermutlich eines der wenigen zeitgenössischen Kunstwerke, das dem Imitator des Sonnenkönigs Respekt gefallen könnte.
Sarah Reisman, Artistic Director der Rubin Foundation in New York, erinnert daran, dass “nur ein kleiner Prozentsatz von Künstlern auf dem Kunstmarkt überlebt” – die Mehrzahl finanziert ihre Existenz mit Lehraufträgen und verwandten Berufen, womit sie sich auch Unabhängigkeit erkaufen. Trump wird die jenseits der Trophäenkunst eines Jeff Koons existierende Avantgarde nur dann wahrnehmen, meint Reisman, wenn sie zum weithin sichtbaren Protest eskaliert – mit jener politisierten Ästhetik, die ihre Stiftung mit dem Mandat sozialer Gerechtigkeit unterstützt. Denn bekanntlich ist der mächtige Mann empfindlich: als Brandon Victor Dixon, einer der Darsteller des innovativen Rap-Musicals Hamilton den designierten Vizepräsidenten Mike Pence nach der Vorstellung von der Rampe an die freiheitlichen Ideale der Gründungsväter erinnerte, reagierte Trump mit einem Gewitter von Twitterblitzen und verlangte eine Entschuldigung. Schon vor fast zwanzig Jahren gab der aufbrausende Banause einen Vorgeschmack auf seine zu erwartende Kulturpolitik, als er ein im Brooklyn Museum ausgestelltes, mit Elefantendung verziertes Madonnenportrait von Chris Ofili als “entartet” verdammte. Damals versprach er, im Falle seiner Präsidentschaft sämtliche Regierungssubventionen für die Kunst zu streichen. Mit gewissen Ausnahmen: ab Mitte Januar wird ein Foto von Trump aus dem Jahr 1989 in der Nationalgalerie neben den Bildern seiner Vorgänger hängen. Es zeigt den noch jugendlichen, noch brünetten Tycoon kurz bevor ihm ein knallroter Apfel in die Hand fällt. Das Portait ist ein temporärer Stellvertreter für ein würdevolles Ölgemälde, und im Falle einer derart wichtigen Kommission sind dem 45. Präsidenten der Vereinigten Staaten Steuergelder sicherlich recht.
Claudia Steinberg
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