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Monday, July 24, 2017

Kunstkrimi in Newark: Hochkarätiges Diebesgut in einem Sattelzug und einem New Yorker Lagerhaus


Im Sommer 2012 entdeckten die Behörden in Newark, New Jersey einen mysteriösen Sattelzug mit rund 1100 Kunstwerken - fünf Tage dauerte die Inventur, die Arbeiten von Alfred Stieglitz (darunter ein 675,000 Millionen Dollar Portrait seiner Frau Georgia O'Keefe), Edward Westen und anderen großen Meistern der Fotografie zutage förderte. Ein beinah ebenso unfangreicher und hochkalibriger Schatz tauchte kurz darauf in einem Lagerhaus in New York auf. Insgesamt belief sich der Schätzwert der beiden für die Verschiffung nach Spanien bestimmten Funde auf 16 Millionen Dollar. Als unrechtmäßiger Eigentümer wurde Philip Rivkin identifiziert, der die Kunstkäufe zwar mit Kennerblick, aber vor allem mit dem Ziel der Geldwäscherei im Namen seiner Firma Green Diesel getätigt hatte. 
Alfred Stieglitz und seine Ehefrau Georgia O`Keefe

Dem texanischen Unternehmen war es gelungen, Ölgiganten wie Shell, BP und Cisco beim Emissionshandel mit Biodiesel rund 60 Millionen Guthaben für erneuerbare Energie im Wert von 29 Millionen Dollar zu verkaufen, ohne auch nur eine Unze von dem vergleichsweise umweltfreundlichen Treibstoff produziert zu haben. Nach einer Razzia seiner Büros verbrachte Rivkin zwei Jahre auf der Flucht in Europa und Lateinamerika. In Guatemala versuchte er, als Felipe Poitan Arriaga unterzutauchen, wurde jedoch des Landes verwiesen und unmittelbar nach seiner Auslieferung im Juni letzten Jahres vom amerikanischen Geheimdienst in Houston verhaftet. Rivkin erklärte sich aller 68 Anklagepunkte für schuldig und mußte unter anderem 29 Millionen Dollar Bargeld, einen Lamborghini, einen Maserati, einen Bentley und ein Canadair Jet abtreten. Seine Gefängnisstrafe beläuft sich auf zehn Jahre, die Restitutionsansprüche lieben bei 51 Millionen Dollar. 

Die amerikanische Regierung hat Christie's mit der Versteigerung von Rivkins Sammlung beauftragt: am 17. Februar wurde in New York die erste einer Reihe von thematisch organisierten Auktionen - zum Beispiel "America the Beautiful" -abgehalten. Zu den Höhepunkten aus Rivkins Diebesgut zählen mehrere Edward Weston Fotos, darunter "Death Valley", gekauft im November 2010 bei Sotheby's für 16,250 Dollar und "Knees", erworben für !65,000 Dollar bei einem Großeinkauf für 1, 4 Millionen im März 2011. Unbestrittener Star des konfiszierten Materials ist jedoch ein besonders rarer Abzug von Gustave Le Grays Bateaux quittant le port du Havre, das die kaiserliche Flotte von Napoleon III 1856 beim Auslaufen zeigt - Christie's hat einen Schätzpreis von 300,000 bis 500.000 Dollar veranschlagt. Eine kleine Ironie des Schicksals, dass die prächtigen, von erneuerbarer Energie getriebenen Schiffe nun die amerikanischen Umweltbehörde für Rivkins Emissionsschwindel kompensieren sollen.

Claudia Steinberg

Governors Island - Eine vergessene Insel heute als coolster Ort auf dem Planeten


Unwiderstehlich sitzt einem die Skyline von Manhattans Südspitze auf der Fähre nach Governors Island im Nacken, und so verbringt man die sieben Minuten lange Reise durch das unruhige Gewässer der Upper New York Bay mit dem Rücken zum Ziel. Dort angekommen ist es plötzlich sehr still, es gibt keine Autos, keine Sirenen, keine Musik, und das steile Stein-und Glasgebirge am anderen Ufer sitzt stumm im Sommerdunst wie eine Fata Morgana. Nur Mövenschreie, das ferne Grollen der Jets, und die Stimmen der Passagiere, ehe sie mit dem  Fahrrad oder zu Fuß dem gerade eröffneten Park des holländischen Landschaftsarchitekten Adriaan Geuze entgegen eilen. Zunächst versperrt die Rückansicht einer langen, eleganten Kaserne - der Liggett Hall - den Blick auf die neue Landschaft.  Der Gewölbegang im Zentrum des Gebäudes führt in einen verschwenderischen Garten: in den letzten sieben Jahren hat Geuze gemeinsam mit der New Yorker Firma Mathews Nielsen die Blumenbeete derart ungeduldig nachgesäht,  dass die üppige Flora längst ihre Umzäunungen überwuchert. So viele Bienen, Grillen und Vögel lockt nun die überschwängliche Blütenpracht, dass die duftende Luft vor lauter Summen, Zirpen und Gezwitscher zittert - eine knappe Meile von der Wall Street entfernt.



Als Geuze vor zehn Jahren zum ersten Mal von der lange verwaisten Insel hörte, die damals nur auf wenigen Landkarten verzeichnet und trotz ihrer Nähe zur Megacity fast ganz in Vergessenheit geraten war, erschien sie ihm als "der coolste Ort auf dem ganzen Planeten." Seine Landsleute hatten 1637 das 36 Hektar große, dicht bewaldete Eiland den Lenape Indianern für zwei Beilköpfe, eine Handvoll Nägel und eine Glasperlenschnur abgekauft und dort eine Festung installiert. Weder die Tabakplantage noch das Sägewerk oder die Fasanfarm brachte den holländischen und später den britischen Gouverneuren den erhofften Profit, und so überließ man den Außenposten auch nach der Unabhängigkeitserklärung dem Militär. 

Mit dem ausgeschachteten Geröll der Lexington Avenue Subway wurde Governors Island 1911 um mehr als das Doppelte erweitert, ohne dass man für das konische Stück Neuland eine zwingende Verwendung gehabt hätte. Ende der 20er Jahren wollte der Kongreßabgeordnete Fiorello Laguardia einen Flughafen auf dem wunderbar platten Terrain ansiedeln, doch das territoriale Militär vereitelte das Projekt mit der 320 Meter langen, von den damaligen Starachitekten McKim, Mead & White erbauten Liggett Hall, die sich quer zu den geplanten Rollbahnen stellte.  1966 gab die U.S. Army ihre Basis auf und überließ das Gelände der Küstenwache, die ihrerseits kurz vor der Jahrtausendwende abzog. Zurück blieb eine Geisterstadt von hundertzwanzig Gebäuden, darunter ein Gefängnis, ein Krankenhaus , zwei Schwimmbäder, ein Burger King sowie ein von Schimmel befallenes Kino. Noch heute übt die Feuerwehr in leerstehenden Wohnhäusern neueren Datums den Kampf gegen die Flammen, während historische Residenzen unter Denkmalschutz stehen.


Die unbewohnte Insel wurde zur Projektionsfläche unterschiedlichster Fantasien: man imaginierte einen Vergnügungspark, einen Universitätskampus, ein Naturschutzgebiert, eine Obdachlosenkolonie und Donald Trump plädierte für ein Kasino. 2003 kaufte die Stadt New York der Bundesregierung Governors Island für einen Dollar mit dem Versprechen ab, es ohne kommerzielle Interessen der Öffentllichkeit nach rund 300 Jahren zugänglich zu machen - seit 2008 kam sie dann zunächst spärlich zu Picnics und in den letzten Sommern vermehrt zu Freiluftausstellungen bedeutender Künstler wie Mark de Suvero. Im vergangenen Jahr setzten 400,000 Menschen mit der Fähre nach Governors Island über.

Aus der Vogelperspektive erscheinen die geschwungenen Wege, die Geuze auf das kahle Land von Menschenhand zeichnete, wie kaligraphische Linien, verwandt dem kurvigen Layout des Central Park, das Frederick Olmstead explizit als Antidot zu dem von ihm verachteten Straßenraster Manhattans sah. Auch Geuze wollte von je her der rechtwinklingen Ordnung, die seine Heimat regiert, entfliehen und nennt sein Konzept für Governors Island "Olmstedian".  Zu ebener Erde erinnern seine asphaltierten Pfade mit ihren leuchtend weißen Einfassungen jedoch eher an frisch geteerte Straßen mit nagelneuen Markierungen - der Kontrast zu den unbändigen Blumenbatterien ist intentendiert: Geuze spielt mit der Sehnsucht nach unberührten Idyllen und urbanem Kontext, mit Vorstellungen von authentischer und inszenierter Natur. Für den 55-Jährigen ist ein Park im Prinzip eine nach dem aktuellen Stand von Technik und Design konstruierte Wildnis, lebendig, atmend, wie eine Frankensteinsche Kreatur. Geuze zählt die Landschaftarchitektur wie die Malerei zu den illusionistischen Künsten, und mit der Poesie teilt sie seines Erachtens ihren Appell an die Emotion.

Was Geuze zum Sieger des 2007 ausgeschriebenen Wettbewerbs machte, war seine Vision einer völlig neuen Topographie: während Manahatta, Lenape für "Insel der vielen Hügel", von den Städteplanern des 19. Jahrhunderts eben gemacht wurde, erlöste er Governors Island von seiner flachen Monotonie, indem er vier Hügel aus dem Schutt gesprengter Bauten wie dem 11-etagigen Wohnheim der Küstenwache erschuf, eine zeitgenössische Variante der Scherbenberge nach dem Krieg in Europa und in seinen Worten ein Exempel "kreativer Zerstörung." Geuzes "Hills", die Parkplätze und Rollrasen unter sich begruben, bedeuteten eine Herausforderung an die Ingeneure: um das Gewicht der Hügel und damit das Risiko eines mächtigen Erdrutsches zu mindern, wurde dem Schotter Bimsstein beigemischt. 

Eine Hülle aus Kokosfaser gab der Erdschicht über dem harten Kern zunächst Halt gegen Erosion, bis sich die Wurzeln von Gräsern, Sträuchern, und Büschen nach zwei Jahren durch das perforierte Geotextil gekrallt hatten. Ebenso ökonomisch wie die Weiterverwertung ausgedienter Baumaterialien war die Bestimmung der optimalen Hügelhöhe: da sich jeder zusätzliche vertikale Zentimeter in Zehntausende Dollar übersetzt, ließ sich Geuze mit einer hydraulischen Hebebühne so weit hochfahren, bis er den Atlantik sehen konnte - "Bei 60 Fuß war er noch verborgen, bei 70 tauchte er in der Ferne auf." So fand er das Maß für seinen Outlook Hill.

Denn eigentlich geht hier alles um die Aussicht, und Geuze ist ein Meister des Suspense. Von den Gipfeln der vier unterschiedlich hohen Hügeln ist jedes Panorama aufregend: die Wolkenkratzer und Brücken von Downtown Manhattan, der Hafen, die Verrazzano Bridge, Jersey City. Doch die größte Sorgfalt verwandte Geuze auf die Choreographie der Annäherung zur Lady Liberty: zwischen den Twin Peaks von Discovery Hill und Outlook kreierte Geuze einen "Blickkorridor", der das Auge wie ein Teleskop auf die berühmteste Statue der Welt fokussiert. Der Drang, die Türme Manhattans in der Totale zu erleben, motiviert zum direktesten Weg nach oben - den Discovery Hill erklimmt man klopfenden Herzens auf einer unebenen Treppe aus großen Granitblöcken, die der baufälligen, 100 Jahre alten Ufermauer entstammen und das Gefühl vermitteln, man ersteige eine archaische Ruine. Slide Hill erlaubt umgekehrt mit vier schwungvollen Rutschbahnen unterschiedlicher Länge die unverzügliche Rückkehr zum Flachland.

Das wiederum ist längst nicht mehr so platt wie 1911, vielmehr ging ein Großteil des 300 Millionen-Dollar Budgets in die Verbesserung der unsichtbaren Infrastruktur, und dazu gehörte auch die Anhebung des Inselplateaus um mehrere Fuß. Die erste Bewährungsprobe kam mit Hurrikan Sandy, der dank der Erhöhung und windgerechter Bepflanzung nur wenig Schaden anrichtete. Nicht umsonst hat Geuze seine Firma nach der Windstärke und -richtung West 8 benannt, bei der an der Nordsee Alarm geschlagen wird: seine Landschaften sind ausgetüftelte Kunstprodukte, in denen er die Abwehrmechanismen der Natur zu erhöhter Widerstandskraft bündelt, so dass sie selbst dem windigen, salzigen, nassen Klima von Governors Island standhalten.

An einem verhangenen Tag, wenn die oberen Etagen der Hochhäuser nicht in den Himmel gemeißelt erscheinen und der Horizont näher rückt, entfaltet die sonst so weltzugewandte Insel ihre alte Melancholie. Kurz vor Geuzes Transformation verbrachte der Künstler David Colosi im Rahmen eines Stipendiums zweieinhalb Jahre hier, von der ersten Fähre um neun Uhr früh bis zur letzten um sechs. Es war besonders an den nebligen Tagen, dass er als ein Orpheus mit seinem Saxophon die Geister der Insel, von den Lenape Indianern bis zu den Generälen der First Army des zweiten Weltkriegs, erwecken und selbst den verlassenen Häusern ihre Seele zurückgeben konnte, wenn er seine Kompositionen in die Abflußrohre blies. Die britische Künstlerin Rachel Whiteread evoziert mit ihrem Zementabguß vom Inneren einer winzigen Hütte ebenfalls die introvertierte Seite des so lange isolierten Landfleckens, wenn auch im Gegensatz zu Colosis ephemeren Kompositionen mit einer hermetischen, einsiedlerischen, von Henry David Thoreau inspirierten Behausung. Von dessen Idylle am Walden Pond ist Governors Island als Mitglied des Archipels in der New York Bay weit entfernt, doch wachsen derzeit auf dem von Manhattan transplantierten Gestein am Südende die gleichen Hemlocktannen und Eichen, die einst die ganze Insel bedeckten. In 25 Jahren wird dort ein dichter Wald stehen, auf den man dann vom Freedom Tower herabschauen kann. Claudia Steinberg

Der Künstler Ai Weiwei thematisiert die Migrations-Krise


“Gute Zäune - gute Nachbarn”, so lautet eine wiederkehrende Zeile einem berühmten Gedicht des amerikanischen Poeten Robert Frosts, die Ai Weiwei nun zum Titel einer ambitionierten Freilichtausstellung in New York erkoren hat: in Kooperation mit dem Public Arts Fund wird der Exilant vom 12. Oktober 2017 bis zum 11. Februar nächsten Jahres unterschiedliche Zäune an prominenten Stellen der Stadt installieren: am Südende des Central Parks, vor dem Cooper Union College im East Village, im Flushing Meadows Park in Queens sowie an Dutzenden weiteren Orten in sämtlichen Vierteln – insgesamt sollen mehr als hundert kleine und große Metallbarrieren an die derzeitige Immigrationspolitik der US erinnern.
        Der chinesische Künstler Ai Weiwei
 Sowohl für die vierzigjährige Non-Profit-Organisation als auch für den Künstler handelt es sich um das größte öffentliche Spektakel, das sie je veranstalteten. Ai Weiwei hat die Migrationskrise bereits in mehreren Werken thematisiert und bezeichnet den Stacheldrahtzaum als Teil seines Vokabulars. Für den politisch verfolgten Künstler, der selbst in den 80er und 90er Jahren eine Dekade in New York verbrachte, muß die geplante Mauer an der Grenze zwischen Mexiko und den USA als ein besonders schmerzlicher Verrat am amerikanischen Freiheitsversprechen gelten, auch wenn Heinrich Heine die vermeintlich so offene Nation bereits 1830 als “ungeheures Freiheitsgefängnis” charakterisierte und sich in jüngster Vergangenheit Obama den Spitznamen des “Chefdeporteurs” verdiente – auf seine Veranlassung wurden in acht Jahren mehr illegale Immigranten abgeschoben als in der gesamten Geschichte der USA. 

Das einzige bisher verfügbare Bild von Ai Weiweis geplanter Installationen gleicht eher einem gigantischen Vogelkäfig als einer Grenze und erinnert vielleicht effektiver an die absurden Gefängnisstrafen, die das “Land of Liberty” lieber als jede Diktatur dieser Welt verhängt. Aber vielleicht werden sich manche Gitter der New Yorker Bevölkerung - und den Touristen - als Hindernisse in den Weg stellen und an eine andere Zeile in Robert Frosts Gedicht erinnern: “Es gibt etwas, das mag die Mauern nicht….”C.S.

Wednesday, April 19, 2017

Die LA-Berlin Sisters hatten geladen: Ein gelungener Abend unter "Polizeiaufsicht"

Das Los Angeles Sister City Committee feiert in diesem Jahr Geburtstag. Ein runder übrigens, der bereits ein halbes Jahrhundert enge Städte-Freundschaft zwischen Berlin und Los Angeles umreist. Grund genug, allen Veranstaltungen in dem Jubiläums-Jahr einen festlichen Rahmen zu geben.

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Eine Polizeimütze als Andenken für Generalkonsul Hans Joerg Neumann vom Berliner Polizeichef Guido Juengling, charmant unterstützt von Berlin-Sister-City Präsidentin Rosemarie Reisch
(Fotos Petra Schuermann)

Und diesmal hatte der deutsche Generalkonsul von Los Angeles, Hans Joerg Neumann, in seine elegante Residenz geladen - Zu einer Feier sozusagen unter polizeilicher Aufsicht, denn es ging um den traditionellen Lauf von 32 Berliner Polizisten, die an dem Belay Run von Baker nach Las Vegas teilgenommen hatten. Außerdem waren zu dieser Veranstaltung noch zehn Berliner Feuerwehrmänner und vier Offiziere vom LAPD eingeladen worden.
Generalkonsul Hans Joerg Neumann hatte übrigens nicht nur zur Geburtstagsfeier in sein Haus gebeten, sondern auch noch den edlen Wein spendiert - zum Toast auf die Städtefreundschaft der beiden Städte in der Alten und der Neuen Welt. Das Essen hatte Rosemarie Reisch, seit mehr als 20 Jahren Präsidentin des Sister City Committees, mit ihrem Team zusammengestellt.
Nach dem langen Lauf beste Stimmung bei den polizeilichen Gästen aus der LA-Partnerstadt Berlin
Die Stimmung war großartig - etwa 150 Gäste waren gekommen, um nicht nur mit den Polizisten zu feiern.  Man mingelte in allen Räumen, traf alte Freunde und schloss neue Freundschaften. Und man freute sich bereits auf die nächsten Geburtstagsveranstaltungen in diesem Jahr, die Rosemarie Reisch angekündigt hatte.

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Jeff Koons, der teuerste lebende Künstler der Welt




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Jeff Koons: Dieses Kunstwerk kennt fast jeder, den Balloon Dog 1994-2000. In Orange wurde so ein aufgeblasener Hund für 58, 4  Millionen Dollar im New Yorker Auktionshaus Christie's versteigert 


“Jeff Koons ist ein Mann von tiefer Kreativität”, meint der Neurowissenschaftler Eric Kandel, der den New Yorker Künstler kürzlich als Artist in Residence an das Mortimer B. Zuckerman Center für Gehirnforschung der Columbia University einlud. Ausschlag gab Koons’ Serie von klassizistischen Skulpturen, deren monumentale Gestalt immer um einen leuchtend blauen Stahlball bereichert ist - man ist unentrinnbar seinem eigenen, verzerrten Spiegelbild ausgeliefert. Der Nobelpreisträger Kandel hat sich unter anderem in seinem Bestseller “Das Zeitalter der Erkenntnis” mit der Rolle des Betrachters im Kunstverständnis der Moderne auseinandergesetzt und fand sein Thema in den glänzenden Kugeln reflektiert: “Man sieht nicht nur die Kunst, man sieht sich selbst”, schwärmt er. “Der Wert liegt im Betrachteranteil”, bestätigt Koons, der teuerste lebende Künstler der Welt, dann auch im Pressevideo der Universität.

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Jeff Koons bei einer Ausstellungseröffnung


Auf bisher noch unbestimmte Zeit wird Koons als erster Künstler Gelegenheit haben, mit den internationalen Forschern der Eliteinstitution über die neuesten Einsichten in das Gehirn zu kommunizieren – Gedächtnis, Wahrnehmung und Bewegungskontrolle zählen zu den Bereichen, über die er von den Stars der Neurowissenschaft lernen will:  “Ich möchte, dass meine Arbeiten so tiefgreifend wie möglich sind”, ergänzt der für seine industriell auf Hochglanz polierten Oberflächen berühmte Künstler. Als Gegenleistung soll Koons die Neurologen in sein gigantisches Studio einladen, wo mehr als hundert Assistenten mit der Umsetzung seiner Visionen beschäftigt sind: von dem Einblick in Koons’ schöpferische Prozesse erhofft sich Kandel – ein Wiener Immigrant mit großer Liebe zu Gustav Klimt – eine Inspiration für die Wissenschaft.

Vor allem aber setzt die stetig expandierende Columbia University, die jährlich Studiengebühren von 55,161 Dollar (mit Unterkunft und Büchern sind des 71,690 Dollar) verlangt, Koons ebenso als Werbemittel ein wie den Architekten Renzo Piano, der für den Zuckerman-Bau auf dem neuen Kampus verantwortlich ist: es geht um Glamour. Umgekehrt sonnt sich der perfektionisitsche Künstler gern im Glanz innovativer Wissenschaft und Technologie: schon für die komplexe Realisierung seiner Idee, Basketbälle in einem Wassertank schweben zu lassen, heuerte er einen Nobelpreisträger an. Tatsächlich hat Koons seine Karriere schon immer mit tiefer Kreativität voran getrieben.
Claudia Steinberg

Ronald Lauder, der Kosmetikgigant, der sich für die Rückführung von Nazi-Raubkunst engagiert

Seit mehr als einem Vierteljahrhundert hat sich Ronald Lauder persönlich und seit 1997 als Vorsitzender der Commission for Art Recovery offiziell für die Provenanceforschung und Rückführung von Nazi-Raubkunst engagiert. In dieser Kapazität verhandelt er mit Regierungen und Museen, doch in letzter Zeit ist er auch immer häufiger mit seinem Anliegen an eine breitere Öffentlichkeit getreten: als die Gurlitt-Sammlung zu Tage kam, sprach der 3.3 Milliarden schwere Philanthrop erstmals in Berlin über das nach mehr als 70 Jahren weiterhin akute Thema. Der Kinofilm Woman in Gold mit Helen Mirren in der Rolle der Nichte von Adele Bloch-Bauer, deren Klimtportrait von den Nationalsozialisten gestohlen wurde und nach dem Krieg ungestraft im Wiener Belvedere Palast hing, 2015 rauskam, veranlaßte Lauder zu einer Reihe von Interviews und Vorträgen zur Lage - immerhin tauchte der Präsident des World Jewish Congress und Mitgründer der Neuen Galerie in New York selbst als Figur in dem Hollywoodstreifen auf. 

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Der Kosmetik-Gigant
 Ronald Lauder


Auf einer Pressekonferenz vor dem goldstrotzenden Gemälde, das Lauder von zehn Jahren für den Rekordpreis von 135 Millionen Dollar erworben hatte, erklärte er den Beginn einer neuen Phase, angeregt durch den Film über die "Wiener Mona Lisa" und den Gurlitt-Fund, für die Restitution gestohlener Kunstwerke: sie soll sich von der Herkunftsermittlung in deutschen Museen auch auf schweizer Kunstinstitutionen erstrecken, in deren Kellern Lauder jede Menge illegitim erworbene Schätze vermutet. Im Juni sagten er und Mirren vor dem amerikanischen Senat zugunsten eines neuen Gesetzesentwurfes aus, der die Restitution des Diebesgutes an die rechtmäßigen Eigentümer erleichtern soll.

Zugleich ist der Kosmetikmagnat wegen mangelnder Transparenz bezüglich der Provenance von Arbeiten in der non-profit Neuen Galerie sowie seiner eigenen Sammlung in ein schiefes Licht gerückt. Als Reaktion auf die Kritik hat Lauder zusätzliche Experten angeheuert und die Überholung der Museumswebseite anberaumt. Dabei wurde bereits die zweifelhafte Eigentümerschaft eines prominenten Werkes in der Neuen Galerie aufgedeckt, und die Institution verhandelt derzeit die Konditionen für die Rückgabe des noch anonym gehaltenen Bildes. Lauder, der mit dem befreundeten Kunsthändler Serge Sabarsky den Großteil der Museumssammlung stiftete, zeigte sich verwundert über die Präsenz eines Werkes mit dubioser Vergangenheit in seinem Haus. Doch waren schon kurz nach der Eröffnung der Neuen Galerie in der einstigen Villa von Grace Vanderbilt Zweifel am rechtmäßigen Besitz einiger Exponate laut geworden, und Lauder hatte damals um Geduld gebeten. 15 Jahre später sind auf der Webseite kaum Daten über den An- und Verkauf von Werken zu finden, mit anderen Worten, die wichtigsten Hinweise auf den potentiell unlauteren Erwerb einer Arbeit fehlen. 

Ronald Lauder, der im Laufe der Jahre drei Werke aus seiner eigenen Sammlung zurück gegeben hat, mußte auch schon Vorwürfe zurückweisen, dass er als Vorstandsmitglied des MoMA zu viel Nachsicht gezeigt habe, als die Institution auf der umstrittenen Eigentümerschaft wichtiger Schiele- und Grosz- Arbeiten insistierte. Aber der Rechtsanwalt für die Erben des Sammlers und Kabarettisten Fritz Grünbaum stieß auch bei der Neuen Galerie auf Granit, als er die wohl fundierte Rückführung von Schieles wichtigem Aquarell "Ich liebe Antithesen" verlangte. Lauder schob den Konflikt auf einen familieninternen Erbdisput, aber kürzlich äußerte er Bedauern über die Dürftigkeit der bisher auf der Webseite bereitgestellten Information. 

Zukünftig soll die Neue Galerie den "Goldstandard" für Provenance-Transparenz setzen, und hoffentlich nicht nur, weil, wie Lauder der New York Times erklärte, bei jemandem in einem weißen Anzug Flecken besonders auffallen: schließlich hat er selbst weltweit auch für pflegeleichtes Mausgrau Tadellosigkeit verordnet.
Claudia Steinberg

Mode von Rei Kawakubo

Ärmel wie die Henkel einer Teetasse, Mäntel wie Zelte, Samurairüstungen aus steifen Seidenschickhen - seit ihrer ersten Modenschau in Paris 1981 steckt Rei Kawakubo die makellosen Silhouetten von Laufstegmodels in wenig ergonomische Gehäuse, die manchmal betören und häufig verstören: als sie 1997 eine Kollektion von hautengen Kleidern mit deformierenden Buckeln und Beulen präsentierte, entfachte die introvertierte Designerin einen Sturm der Empörung. Ungerührt überraschte Kawakubo, die sich selbst schon immer für eine schwarze Kluft mit Lederjacke entschieden hatte, jedoch weiterhin mit körperfremden Kreationen von unerschöpflichen Erfindungsreichtum – nie wiederholt sie eine Idee. 

Für ihre unbeirrte Exploration der technischen, räumlichen und ästhetischen Grenzen von Kleidung – mitunter so hoheitsvoll raumgreifend wie Reifröcke oder Rüstungen und so unpraktisch wie ir-pen-rei_kawakubo_comme_des_garcons.jpgZwangsjacken oder zeremonielle Gewänder – wird die 74-Jährige nun mit einer Austellung im Metropolitan Museum (vom 4. Mai bis zum 4. September) unter dem Titel “Rei Kawakubo /Comme des Garçons – Art of the In-Between” belohnt. Nur Yves Saint Laurent wurde dort vor nunmehr 34 Jahren als lebendem Modeschöpfer die Ehre einer Soloshow zuteil. 

Seither hat sich die Institution mit dem Fokus auf thematisch organisierte Ausstellungen oder verstorbene Modemacher dem Vorwurf des Kommerzialismus zu entziehen versucht, ohne auf die Zugkraft großer Spektakel wie Alexander McQueens Wunderkammer gefiederter und gerüschter Pracht verzichten zu wollen. Kawakubo regiert zwar über ein Imperium von mehr als 230 Läden ihrer 1969 gegründeten Firma Comme des Garçons so wie Flagshipstores in Tokio, Paris und New York, doch gehört sie keinem der riesigen Luxuskonglomerate an, und ihr Werk entzog sich von je her der breiten Vermarktung: ihre frühen schwarzen, zipfeligen, zerfetzten Kleider wurden mehr oder weniger liebevoll als “Krähen” bezeichnet. Kollegen wie Marc Jacobs, Nicolas Ghesquiere und selbst Karl Lagerfeld haben die Ikonoklastin jedoch immer bewundert. Die brave Anna Wintour taucht zwar selten bei Kawakubos Schauen auf, doch engagierte auch sie sich für die Präsentation von rund 120 Stücken in einer der größten Hallen des Museums. Der Modekurator Andrew Bolton kauft nun schon seit fünfzehn Jahren ihre radikalsten Erfindungen für die Kostümsammlung des Metropolitan an: Exemplare der Hexenjagd-Kollektion mit ihren verknoteten Draperien, zu rosenblättrigen Gewändern gewundene Stoffbahnen, zu Mänteln gebauschte und gebündelte Decken. “Ich habe mich bemüht, keine Kleidung zu kreieren”, kommentierte Kawakubo eine ihrer letzten Schauen. Tatsächlich sind Kunstwerke daraus geworden.
Claudia Steinberg