Seit mehr als einem Vierteljahrhundert hat sich Ronald Lauder persönlich und seit 1997 als Vorsitzender der Commission for Art Recovery offiziell für die Provenanceforschung und Rückführung von Nazi-Raubkunst engagiert. In dieser Kapazität verhandelt er mit Regierungen und Museen, doch in letzter Zeit ist er auch immer häufiger mit seinem Anliegen an eine breitere Öffentlichkeit getreten: als die Gurlitt-Sammlung zu Tage kam, sprach der 3.3 Milliarden schwere Philanthrop erstmals in Berlin über das nach mehr als 70 Jahren weiterhin akute Thema. Der Kinofilm Woman in Gold mit Helen Mirren in der Rolle der Nichte von Adele Bloch-Bauer, deren Klimtportrait von den Nationalsozialisten gestohlen wurde und nach dem Krieg ungestraft im Wiener Belvedere Palast hing, 2015 rauskam, veranlaßte Lauder zu einer Reihe von Interviews und Vorträgen zur Lage - immerhin tauchte der Präsident des World Jewish Congress und Mitgründer der Neuen Galerie in New York selbst als Figur in dem Hollywoodstreifen auf.
Der Kosmetik-Gigant
Ronald Lauder
Auf einer Pressekonferenz vor dem goldstrotzenden Gemälde, das Lauder von zehn Jahren für den Rekordpreis von 135 Millionen Dollar erworben hatte, erklärte er den Beginn einer neuen Phase, angeregt durch den Film über die "Wiener Mona Lisa" und den Gurlitt-Fund, für die Restitution gestohlener Kunstwerke: sie soll sich von der Herkunftsermittlung in deutschen Museen auch auf schweizer Kunstinstitutionen erstrecken, in deren Kellern Lauder jede Menge illegitim erworbene Schätze vermutet. Im Juni sagten er und Mirren vor dem amerikanischen Senat zugunsten eines neuen Gesetzesentwurfes aus, der die Restitution des Diebesgutes an die rechtmäßigen Eigentümer erleichtern soll.
Zugleich ist der Kosmetikmagnat wegen mangelnder Transparenz bezüglich der Provenance von Arbeiten in der non-profit Neuen Galerie sowie seiner eigenen Sammlung in ein schiefes Licht gerückt. Als Reaktion auf die Kritik hat Lauder zusätzliche Experten angeheuert und die Überholung der Museumswebseite anberaumt. Dabei wurde bereits die zweifelhafte Eigentümerschaft eines prominenten Werkes in der Neuen Galerie aufgedeckt, und die Institution verhandelt derzeit die Konditionen für die Rückgabe des noch anonym gehaltenen Bildes. Lauder, der mit dem befreundeten Kunsthändler Serge Sabarsky den Großteil der Museumssammlung stiftete, zeigte sich verwundert über die Präsenz eines Werkes mit dubioser Vergangenheit in seinem Haus. Doch waren schon kurz nach der Eröffnung der Neuen Galerie in der einstigen Villa von Grace Vanderbilt Zweifel am rechtmäßigen Besitz einiger Exponate laut geworden, und Lauder hatte damals um Geduld gebeten. 15 Jahre später sind auf der Webseite kaum Daten über den An- und Verkauf von Werken zu finden, mit anderen Worten, die wichtigsten Hinweise auf den potentiell unlauteren Erwerb einer Arbeit fehlen.
Ronald Lauder, der im Laufe der Jahre drei Werke aus seiner eigenen Sammlung zurück gegeben hat, mußte auch schon Vorwürfe zurückweisen, dass er als Vorstandsmitglied des MoMA zu viel Nachsicht gezeigt habe, als die Institution auf der umstrittenen Eigentümerschaft wichtiger Schiele- und Grosz- Arbeiten insistierte. Aber der Rechtsanwalt für die Erben des Sammlers und Kabarettisten Fritz Grünbaum stieß auch bei der Neuen Galerie auf Granit, als er die wohl fundierte Rückführung von Schieles wichtigem Aquarell "Ich liebe Antithesen" verlangte. Lauder schob den Konflikt auf einen familieninternen Erbdisput, aber kürzlich äußerte er Bedauern über die Dürftigkeit der bisher auf der Webseite bereitgestellten Information.
Zukünftig soll die Neue Galerie den "Goldstandard" für Provenance-Transparenz setzen, und hoffentlich nicht nur, weil, wie Lauder der New York Times erklärte, bei jemandem in einem weißen Anzug Flecken besonders auffallen: schließlich hat er selbst weltweit auch für pflegeleichtes Mausgrau Tadellosigkeit verordnet.
Claudia Steinberg
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