Ärmel wie die Henkel einer Teetasse, Mäntel wie Zelte, Samurairüstungen aus steifen Seidenschickhen - seit ihrer ersten Modenschau in Paris 1981 steckt Rei Kawakubo die makellosen Silhouetten von Laufstegmodels in wenig ergonomische Gehäuse, die manchmal betören und häufig verstören: als sie 1997 eine Kollektion von hautengen Kleidern mit deformierenden Buckeln und Beulen präsentierte, entfachte die introvertierte Designerin einen Sturm der Empörung. Ungerührt überraschte Kawakubo, die sich selbst schon immer für eine schwarze Kluft mit Lederjacke entschieden hatte, jedoch weiterhin mit körperfremden Kreationen von unerschöpflichen Erfindungsreichtum – nie wiederholt sie eine Idee.
Für ihre unbeirrte Exploration der technischen, räumlichen und ästhetischen Grenzen von Kleidung – mitunter so hoheitsvoll raumgreifend wie Reifröcke oder Rüstungen und so unpraktisch wie Zwangsjacken oder zeremonielle Gewänder – wird die 74-Jährige nun mit einer Austellung im Metropolitan Museum (vom 4. Mai bis zum 4. September) unter dem Titel “Rei Kawakubo /Comme des Garçons – Art of the In-Between” belohnt. Nur Yves Saint Laurent wurde dort vor nunmehr 34 Jahren als lebendem Modeschöpfer die Ehre einer Soloshow zuteil.
Seither hat sich die Institution mit dem Fokus auf thematisch organisierte Ausstellungen oder verstorbene Modemacher dem Vorwurf des Kommerzialismus zu entziehen versucht, ohne auf die Zugkraft großer Spektakel wie Alexander McQueens Wunderkammer gefiederter und gerüschter Pracht verzichten zu wollen. Kawakubo regiert zwar über ein Imperium von mehr als 230 Läden ihrer 1969 gegründeten Firma Comme des Garçons so wie Flagshipstores in Tokio, Paris und New York, doch gehört sie keinem der riesigen Luxuskonglomerate an, und ihr Werk entzog sich von je her der breiten Vermarktung: ihre frühen schwarzen, zipfeligen, zerfetzten Kleider wurden mehr oder weniger liebevoll als “Krähen” bezeichnet. Kollegen wie Marc Jacobs, Nicolas Ghesquiere und selbst Karl Lagerfeld haben die Ikonoklastin jedoch immer bewundert. Die brave Anna Wintour taucht zwar selten bei Kawakubos Schauen auf, doch engagierte auch sie sich für die Präsentation von rund 120 Stücken in einer der größten Hallen des Museums. Der Modekurator Andrew Bolton kauft nun schon seit fünfzehn Jahren ihre radikalsten Erfindungen für die Kostümsammlung des Metropolitan an: Exemplare der Hexenjagd-Kollektion mit ihren verknoteten Draperien, zu rosenblättrigen Gewändern gewundene Stoffbahnen, zu Mänteln gebauschte und gebündelte Decken. “Ich habe mich bemüht, keine Kleidung zu kreieren”, kommentierte Kawakubo eine ihrer letzten Schauen. Tatsächlich sind Kunstwerke daraus geworden.
Claudia Steinberg
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