Christo, Hirst, Murakami - in diese Liga globaler “Brands” gehört auch der Pyrotechniker Cai Guo Qiang, erklärt Artnet-Autor Ben Davis bewundernd in dem nun auf Netflix einem Millionenpublikum verfügbar gemachten Dokumentarfilm “Sky Ladder”: wie die Projekte seiner Kollegen verlangen auch die ephemeren Licht- und Rauchkompositionen des Wahl-New-Yorkers zahllose Mitarbeiter, komplexe Logistik und eine heroische Imagination. Mehr noch, seine “Feuermedizin” - so laut Cai die ursprüngliche Bedeutung der farbenprächtigen Explosionen - muß nicht nur bürokratische Hindernisse und finanzielle Hürden überwinden, sondern ist darüber hinaus auch klimatischen Unwägbarkeiten ausgeliefert.
So scheiterten Cais Versuche, seine mehr als zwanzig Jahre gehegte Vision einer brennenden Himmelsleiter zu realisieren, immer wieder an Wind und Wetter. Der Film des Oscar-Preisträgers Kevin Macdonald kulminiert in rauschhaften Bildern der im vierten Anlauf endlich erfolgreichen, an einem Ballon aufgehängten Installation: unaufhaltsam, atemberaubend zischt das Feuer von Sprosse zu Sprosse und illuminiert für ein paar extatische Sekunden das Morgengrauen über Quanzhou. Cais hunderjährige Großmutter, der er die glühende Jakobsleiter widmete, kann nun sterben.
Meister Cai, wie ihn seine Mitarbeiter nennen, weiß autobiographisches Sentiment, Chinas ikonische Errungenschaften, historische Avantgardekunst wie Zero und Gutai ebenso brilliant in seine Spektakel zu mischen wie die computergesteuerten, auf Millisekunden getimten, vielfarbigen Schießpulver seiner grandiosen Tableaux.
Als von westlichem Ruhm “vergoldeter” Künstler durfte Cai nicht nur das Feuerwerk für die Olympiade in Peking inszenieren, sondern ihm ist sogar ein wenig Kritik erlaubt: seine halluzinatorischen, an traditionelle chinesische Landschaftsbilder erinnernden Nebel aus nicht-toxischem Sprengstoff sollen auch an die giftigen Schwaden erinnern, für die seine Heimat nun berüchtigt ist, und sein Totenschiff voller ausgestopfter Tiere, das vor zwei Jahren an Shanghais Bund vorbei glitt, gemahnte schauerlich an das Artensterben. Doch vor allem ist Cai Guo Qiang ein Künstler des mitreißenden Schauspiels, des großen Taumels und damit wohl tatsächlich ein Mediziner für unsere Zeit.
Claudia Steinberg
Claudia Steinberg
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