Bis zum 7. Februar befindet sich Picassos berühmte Gipsbüste seiner Muse Marie-Théresè als Exponat in seiner großen Skupturenausstellung im MoMA noch in relativer Sicherheit. Doch kaum ist die Show geschlossen, will Larry Gagosian das kostbare Werk, das er sein Eigentum nennt, in Empfang nehmen. Schließlich hat er im Mai 2015 fast 106 Millionen Dollar für die Plastik aus dem Jahr 1931 - einer besonders produktiven Schaffensperiode des Künstlers - bezahlt. Doch das Königshaus von Katar insistiert, bereits im November 2014 über seinen Ankäufer, die Pelham Europe Ltd. in London, eine erste Anzahlung von 6.6 Millionen Dollar auf die Büste geleistet zu haben, für die ein Preis von 42 Millionen Dollar vereinbart war. In beiden Fällen soll Picassos Tochter Maya Widmaier-Picasso die Verkäuferin gewesen sein. Die 80-jährige Dame hatte die inzwischen geschlossene Pariser Firma Connery, Pissaro, Seydoux mit der Durchführung des Verkaufs an Sheik Jassim bin Abdulaziz al Thani, den Gatten der Vorsitzenden des Katar Museums, Sheika al Mayassa bint Hamad bin Khalifa al Thani betraut.
Offenbar hielt Mayas Tochter Diana Widmaier-Picasso, eine gute Bekannte von Gagosian, das von ihrer Mutter akzeptierte Angebot des Scheichs für viel zu niedrig: zwar lag der Auktionsrekord für eine Picasso-Skulptur 2007 bei nur 29.2 Millionen Dollar (es handelte sich um ein Portrait von Dora Maar), doch erzielten seine "Femmes des Algier" bei Christie's im vergangenen Jahr sensationelle 179.4 Millionen Dollar. Die MoMA Skulpturen-Show mit ihren hymnischen Kritiken kann auch nur eine erhebliche Aufwertung seines bildhauerischen Oeuvres zur Folge haben. Nach einer Ausstellung in Gagosians Madison Avenue Galerie im Jahr 2011, die von Marie-Thérèse inspirierte Picasso-Arbeiten zeigte, hatte man Diana längst dreistellige Summen für die ikonische Büste ihrer Großmutter angeboten.
Auf Drängen ihrer Tochter annulierte Maya Widmaier-Picasso den Vertrag mit der Königsfamilie. Gagosian behauptet, erst im Oktober durch einen Brief von Pelham, der die Entfernung der Skulptur aus dem MoMA androhte, überhaupt von den Ansprüchen des Scheichs erfahren zu haben, eine Aussage, die Pelham Europe Ltd. zurückweist. Der Galerist hat inzwischen 79,7 Millionen Dollar angezahlt, was ihn seines Erachtens seit dem 2. Oktober letzten Jahren zum rechtmäßigen Besitzer macht. Darüber hinaus hat er zu verstehen gegeben, dass die Skulptur bereits für einen Käu
fer reserviert sei, der sie in der zweiten Februar vom MoMA abzuholen gedenkt.
Gagosian hat nun beim Gerichtshof von Manhattan Klage gegen die Pelham Ltd. eingelegt: nachdem Maya Widmaier-Picasso im April 2015 alle Zahlungen von Pelham an Connery Pissaro Seydoux zurück gezahlt hatte, stornierte das Unternehmen den Verkauf einen Monat später. Pelham prozessiert nun wegen Vertragsbruchs gegen Diana in der Schweiz und hat ein französisches Gericht darauf angesetzt, die Arbeit zu konfiszieren. Gegen den Gerichtsbeschluß, ihr die Übernahme der Skulptur zu verbieten, hat sie bereits Einspruch eingelegt. Die von Guy Bennett, dem ehemaligen Leiter des Departments für impressionisische und moderne Kunst bei Christie's, geleitete Firma soll gerade im Begriff gewesen sein, die dritte und letzte Rate für die revolutionäre Skulptur zu zahlen, als Gagosian seine Ansprüche anmeldete. Das Gericht verlangt nun von dem Megahändler, die Identität seines Käufers preiszugeben - ein Dilemma für Gagosian, der sich vertraglich sowohl zur Geheimhaltung des Namens als auch der Summe verpflichtet hatte. Gerüchten zufolge soll es sich um den notorischen Sammler - und verurteilten Finanzbetrüger - Steven Cohen handeln.
Larry Gagosian hat sich kürzlich schon einmal in rechtlichen Schwierigkeiten gefunden: vor drei Jahren beschuldigte ihn die Sammlerin Jan Cowles, ein Lichtenstein Bild ohne ihre Genehmigung verkauft zu haben. Als der reichste unter den Galeristen ist er als aggressiver Geschäftsmann berüchtigt, doch hat er es bei den Katarern mit mächtigen Gegnern zu tun: die Scheichin verfügt über einen jährlichen Einkaufsetat von einer Milliarde Dollar für das Katar Museum, und ihre Familie kontrolliert 25 Prozent des auf elf Milliarden Dollar geschätzten Kunstmarkts im Nahen Osten. In seinen Statements hat Gagosian nun nahegelegt, dass Pelham verzweifelt versuche, "ein gewissenloses Abkommen mit einer älteren Frau in schlechtem Gesundheitszustand" erzwingen zu wollen. Mayas Bereitschaft, eine wichtige Arbeit ihres Vaters weit unter Preis zu verkaufen, wurde wenig subtil als Anzeichen kognitiver Beeinträchtigung gewertet. Vielleicht ist Maya Widmaier-Picasso nicht auf dem neuesten Stand des Kunstmarktes, vielleicht ist sie dement. Dann kommen aber auch Diana und Larry nicht sehr gut weg.
Claudia Steinberg
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