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Monday, April 25, 2016

Playmobil-Luther auf Welttournee

Fast 500 Jahre nach der Reformation ist Martin Luther erfolgreicher Botschafter seiner eigenen Idee. Als Playmobil-Figur reist er um die Welt, lässt sich fotografieren und ermuntert dazu, über den Glauben zu sprechen.


Kaum zu glauben: Als die Playmobil-Figur Martin Luther Anfang Februar 2015 offiziell das Licht der Welt “erblickte”, dauerte es genau 72 Stunden – schon war die Erstauflage von 34.000 Exemplaren vergriffen. Inzwischen ist der 7,5 Zentimeter kleine Plastik-Reformator zur erfolgreichsten Einzelfigur des fränkischen Spielwarenherstellers geworden. Sage und schreibe 400.000 Exemplare gingen bereits über den Ladentisch. Ein Boom, der selbst Fachleute der Branche in Erstaunen versetzt. Die Faszination spiegelt sich auch in den sozialen Netzwerken wider.
Über die Gründe des Erfolgs darf spekuliert werden. Sicher, die Reformation Luthers von 1517 und in der Folge das Entstehen des evangelischen Glaubens waren wichtige historische Ereignisse. Immerhin wurden in deren Sog zahlreiche religiöse, gesellschaftliche und politische Normen aus den Angeln gehoben, die Tore in die Neuzeit aufgestoßen. Diese Erneuerung wird von den evangelischen Kirchen seit 2008 durch gezielte PR ins Gedächtnis der Menschen zurückgeholt. Nächstes Jahr sollen 500 Jahre Reformation gebührend gefeiert werden. All das mag mit dazu beitragen, dass Luther populärer wird - auch als Spielzeugfigur.

Sinnvolle Freizeitbeschäftigung - Diakon Andreas Sommer

Dass die Verkaufszahlen für den Playmobil-Luther durch die Decke gehen, ist womöglich auch der Facebook-Gruppe “Unterwegs mit Luther” zu verdanken. Gegründet hat die private Initiative der evangelische Diakon Andreas Sommer aus Mannheim. Zuerst hat ihn der Original-Luther begeistert: “Luther war ein Freigeist, der aussprach, was ihn gestört hat. Der hat auch das gesagt, was nicht gerne gehört wurde. Luther war ein Mensch mit Mut und Courage.” Legendär sein Ausspruch vor Kaiser und Kirche beim Reichstag in Worms. Statt seine Thesen zu widerrufen sagte er: “Hier stehe ich und kann nicht anders.” Als Christ, so Sommer im DW-Gespräch, versuche er es seinem Vorbild gleichzutun.

Seit dem vergangenen Jahr hat es Sommer zudem der Playmobil-Luther angetan - für ihn ein idealer Sympathieträger um das “bunte evangelische Leben in Deutschland und der Welt” darzustellen. Sommer platzierte seinen Reformator-Däumling einfach vor interessanten Kulissen, fotografierte ihn und stellte die Ergebnisse in seinen Facebook-Account.
Dann, im April 2015, bat er Bekannte, von denen er wusste, dass auch sie eine solche Luther-Figur besitzen, es ihm gleichzutun. “Auf Facebook habe ich mit Leuten eine Gruppe gebildet, die wie ich, viel mit Symbolen arbeiten und dann hat sich das ganz schnell entwickelt.” Etliche seien ehrenamtliche Mitarbeiter in Kirchengemeinden, Menschen aus allen Altersgruppen, erzählt der Diakon, der sich vor allem in der Kinder- und Jugendarbeit engagiert.
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Luther in aller Welt

Die Facebook-Gruppe “Unterwegs mit Luther” präsentiert die Figur nicht nur an den klassischen Wirkungsstätten des Reformators. Schon bald wurden Bilder aus ganz Deutschland gepostet. Luther vor dem Brandenburger Tor oder dem Ulmer Münster, Luther bei Sonnenuntergang an einem See, Luther beim Hallensportturnier, Luther auf dem Frühstückstisch zwischen Brötchen und Marmelade. Seit einiger Zeit trudeln jetzt auch Bilder aus anderen Erdteilen ein: Luther am Nordkap, Luther in Spanien, Luther auf der jüdischen Festung Masada am toten Meer, Luther mitten in Afrika.

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Jeder könne seinen persönlichen Begegnungsort mit Luther frei wählen, ganz gleich, ob während der Arbeit, in der Freizeit oder im Urlaub. Auch auf diese Weise seien Luther und der Geist der Reformation bis heute präsent, unterstreicht Andreas Sommer. Zudem ergebe ein Luther-Shooting immer wieder mal Gelegenheit für interessante Gespräche mit Passanten – auch über Glaubenssachen. Er bedauert jedoch, dass er von den inzwischen rund 200 Mitgliedern seiner Gruppe selten Näheres darüber erfährt, weshalb gerade eine bestimmte Sehenswürdigkeit oder Alltagsituation ausgewählt wurde.

Das Symbol gibt den Ausschlag

Es fällt auf, dass das Aussehen des Mini-Reformators nichts mit den bekannten Luther-Porträts gemein hat. Er hat das runde Playmobil-Gesicht. Die kantigen Züge des jungen Luthers fehlen. Außerdem sind die Haare viel zu lang. Die Menschen scheint das aber nicht zu stören. “Das ist einfach nur ein Symbol”, sagt Sommer. “Der repräsentiert den Martin Luther, mit dem ich als Christ unterwegs bin.” Vielleicht sei die Luther-Figur auch sowas wie ein Hinweisschild: Ich bin Christ, mutmaßt Sommer, weil das ja niemand auf der Stirn stehen habe.

Luther schmökert in alten Schinken

Neben der Bilder-Seite, die vor allem den Spaßfaktor berücksichtigt, indem sie zeigt, wo überall Menschen mit Luther unterwegs sind, hat Andreas Sommer inzwischen eine zweite Seite eingerichtet. Darauf werden Veranstaltungen gepostet, hier stehen Texte zu Luther, der Reformation und theologischen Themen. “So können auf spielerische Art und Weise Gedanken der Reformation weitergetragen werden”, erzählt der Fachmann.

Keine Idee der Kirche
Trotz der Rekordverkaufszahlen gehört die Figur nicht zum offiziellem Sortiment von Playmobil. Der 75 Millimeter-Luther ist eine Sonderanfertigung. Die Idee dazu hatte die Nürnberger Congress- und Tourismus Zentrale (CTZ). Für sie wurde bereits 2012 ein spezieller Playmobil-Dürer gegossen. Der Erfolg von damals, wird mit der Luther-Figur, die in Abstimmung mit Kirchenvertretern kreiert wurde, weit übertroffen.

Die Deutsche Zentrale für Tourismus, die seit 2008 für die touristische Vermarktung der evangelischen Reformationsdekade verantwortlich ist, setzt die Luther-Figur weltweit als Botschafter für das Reformationsjubiläum 2017 ein.

Übrigens: Während der Autor des Artikels diese Zeilen tippt, schaut ihm schweigend aus runden Knopfaugen ein Mini-Luther zu. Ausgestattet mit Federkiel und Bibel beobachtet er alles von Oberkante des Computer-Bildschirms aus. Dort steht er und kann nicht anders - denn er ist mit Kleber fixiert.

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