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Wednesday, November 12, 2014

New York - Das Brooklyn Museum zeigte "Killer Heels - The Art of High-Heeled Shoe"

Der Verzicht auf bodenständiges Schuhwerk zugunsten taumelnder Erhabenheit ist ein Balanceakt, bei dem das Symbolische auf extravagante Weise über das Praktische triumphiert. Den kleinwüchsigen Louis IVX verwandelten Perückenmacher und Schuster in eine majestätische Figur, und mit architektonischen Wunderwerken an den Füßen erheben sich zeitgenössische Amazonen über die Häupter ihrer einstigen Unterdrücker, bis eine schiefe Bordsteinkante sie zu Fall bringt. 

Eine Auswahl von 160 grandiosen Kreationen, die ihre Trägerinnen oft um einen ganzen Kopf größer, zugleich aber auch zu hilflosen Geschöpfen machen - zeigte das Brooklyn Museum bis zum 15. Februar 2015 in der Ausstellung "Killer Heels - The Art of the High-Heeled Shoe", angefangen bei den schwindelerweckenden, bis zu 74 Zentimer hohen Venezianischen Chopinen des 15. Jahrhunderts bis zu Zaha Hadids futuristischen Behausungen für die eiligen Füße der Großstädterin. 

Während der moderne Absatz von persischen Reitern zwecks besseren Halts im Steigbügel erfunden wurde (und im Cowboystiefel überlebte), galt die gehobene Ferse an europäischen Höfen als männliches Privileg, bis Napoleon sie den Frauen als irrationale, frivole Spielerei überließ. Und so stolzieren sie in blau gefiederten Pumps von Roger Vivier, auf Rokoko-Säulen von Chanel und auf Louboutins vertikalen, roten Sohlen - der aktuellen Version der "Talon Rouges" der französischen Monarchie - über unebenes Terrain und ignorieren heroisch den pochenden Protest von 26 Knochen und mehr als 100 Muskeln. 

Sechs hypnotische Künstlervideos - unter anderem von Marilyn Minter und Ghada Amer - demonstrierten die Fetischsierung des extrem hochhackigen Schuhs zum weiblichem Phallus, zur Überhöhung der Natur im Dienste einer radikal artifiziellen Schönheit, oder zur Schimäre, wie im Falle von Iris Schiefersteins Stiefeletten aus authentischen Pferdehufen, in denen sich die Frau zur Spitzengängerin verwandelt. 

Wie kein anderes Genre der Fußbekleidung vereinigt jedoch der Stilettoschuh die paradoxe Position der Domina auf ihrem dünnen Sockel: er ist zugleich der Stachel des Skorpions und der Dorn der Eitelkeit, der sich statistisch nach 68 Minuten schmerzlich bemerkbar macht: zwei Drittel aller Stilettoträgerinnen sind schon barfüßig nach Hause gegangen. Doch angesichts des gefährlichen Glamours dieser technologischen Meisterwerke ist der 12 Zentimeter tiefe soziale Abstieg schon am nächsten Tag vergessen.

Claudia Steinberg