Monday, April 25, 2016

Keine Gebühren mehr für Robert Rauschenberg-Veröffentlichungen

Als Christy MacLear, Direktorin der Rauschenberg Foundation, nach zahlreichen Geprächen mit Kunsthistorikern und Forschern zu der Erkenntnis kam, dass die Copyright-Auflagen für Bilder den “Lauf der Kunstgeschichte selbst” beinflussen können, entschied sie sich zu einem radikalen Schritt: Ende Februar gab die Stiftung bekannt, dass sämtliche Reproduktionen von Rauschenberg-Werken fortan in hoher Auflösung und ohne jegliche Beschränkungen oder Kosten für die nicht-kommerzielle Verwendung freigegeben werden. “Das System hat Barrieren für die falschen Leute kreiert”, sagt MacLear - Professoren versorgen ihre Studenten mit weniger oder gar keinen Bildern aus Furcht vor Copyright-Verletzungen, Autoren verzichten auf die kostspielige Bebilderung ihrer Texte, Museen verwenden immer wieder das gleiche Bildmaterial, für das sie Rechte erworben haben.

 “Die Zeit war gekommen, neue Richtlinien zur Aufhebung dieser Hindernisse zu formalisieren.” Sogar Broschüren und andere Werbemittel, die sonst nicht unter die bedingte, als “Fair Use” bekannte Entbindung von den staatlichen Copyrightbestimmungen für Bildungsinstitutionen fallen, sind jetzt ebenfalls von Gebühren ausgenommen. Die Stiftung möchte auf diese Weise nicht zuletzt deshalb als Hauptlieferant von Rauschenberg-Bildern fungieren, um höchste Qualität und korrekte Titel sowie Fotografennachweise zu garantieren. 

Im Geiste ihres 2008 verstorbenen Gründers zeigte sich nunmehr 16 Jahre alte  Rauschenberg Foundation von jeher sehr großzügig, ob es sich um die Unterstützung von Künstlern in prekären Finanzlagen oder um den Verkauf von Werken an auserwählte Museen zu sehr günstigen Konditionen handelte. Zugunsten der Präsenz von Rauschenbergs Werk bemühte man sich um leichten Zugriff auf Abbildungen. Zugleich aber führte die unauthorisierte Bilderflut im Internet und in den sozialen Medien von Facebook bis Instagram, in letzter Zeit zu stetig verschärften Maßnahmen. Insbersondere die Artists Right Society und die Visual Arts and Gallery Association verfolgen Urheberrechtsverletzungen mit zunehmder Aggressivität.

 Zwar geht auch die Foundation dem gewerblichen Mißbrauch mit Hilfe der VAGA nach, doch wollen MacLear und ihre Kollegen Künstlern den Umgang mit visuellem Rauschenberg-Material erleichtern: als die Bildhauerin Rachel Harrison um Erlaubnis bat, sich seiner Bildsprache für digitale Kollagen zu bedienen, war man überrascht - Rauschenberg hätte das Material für seine Zwecke einfach benutzt. Autoren akademischer Bücher würden es dagegen kaum wagen, Abbildungen ohne ausdrückliche Genehmigung zu veröffentlichen, was leicht zu Summen im vier- bis fünfstelligen Bereich führt. Museen tun sich oft schwer, ihre Kataloge zu digitalisieren, denn das verlangt eine zweite Bewilligung. 

Auch die hat die Stiftung abgeschafft: “2015 haben wir eine Reihe von Pilotlizenzen an eine ausgewählte Gruppe von Museen vergeben (darunter MoMA und Tate Modern) und sehr bald eine signifikante Steigerung im Bereich der Forschung und die Zunahme von Bildern auf Museumswebseiten beobachtet”, erzählt MacLear. Mit dem gleichen Ziel stellt das Rauschenberg Research Project auf der Webseite des San Francisco Museum of Modern Art seit 2013 mehr als 90 Werke des Künstlers aus der SFMOMA-Sammlung zur Verfüngung, begleitet von Essays und anderen Forschungsmaterialien. “Die wunderbare Reaktion auf das Programm hat zu unserer Entscheidung beigetragen, unseren Fair Use Prozeß so einfach und effektiv wie möglich zu gestalten”, kommentiert MacLear.

Zu den wenigen Skeptikern der Initiative zählt der Kunstanwalt Sergio Munoz Sarimento, der in seinem Blog der Stiftung eine reine PR-Kampagne unterstellte, denn Fair Use hätte schon immer die unentgeltliche Benutzung von Bildmaterial erlaubt. Den bürokratischen Aufwand läßt der Kritiker dabei allerdings außer Acht. Und der Stiftung ist der mühelose Zugang zu Rauschenbergs Werk immerhin rund $ 100,000 Dollar pro Jahr wert - die Hälfte ihres Einkommens durch Nutzungsgebühren für Museumsprospekte etcetera. “Fair Use kann sehr komplex sein und oft nicht nur Individuen, sondern auch Institutionen einschüchtern”, erklärt MacLear. Kleine, ärmere Stiftungen können jedoch nicht unbedingt auf diese Art von Einnahmequelle verzichten. Dass sowohl die New York Public Library als auch das Rijksmuseum kürzlich Vieltausende von Bildern aus ihren digitalen Archiven bedingungslos für den nicht-kommerziellen Gebrauch verfügbar machten, deutet jedoch auf  den Anbruch eines neuen Zeitalters hin. Die Rauschenberg Foundation hofft jedenfalls, dass ihr Beispiel Schule machen wird.

Claudia Steinberg

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